Die tierärztliche Aufklärungspflicht

Erschienen am 07.12.2022

Wenn es nach einer tierärztlichen Behandlung zu Komplikationen kommt, insbesondere zu einer Infektion, wird vom Pferdeeigentümer oftmals die Verletzung der tierärztlichen Aufklärungspflicht bemüht, meistens aber ohne Erfolg. Das liegt an der grundsätzlichen Verschiedenheit zur Aufklärungspflicht in der Humanmedizin.

Die Klägerin eines Rechtsstreits, der vom Oberlandesgericht München im Berufungsverfahren abschließend entschieden wurde, hat gegenüber dem tierärztlichen Honoraranspruch mit einer Schadensersatzforderung aufgerechnet. Die stützte sie darauf, dass sie über das Risiko nicht aufgeklärt worden sei, das mit einer Injektion in das Fesselgelenk ihres Pferdes verbunden war. Beauftragt war der Tierarzt, das Pferd möglichst kurzfristig wieder lahmfrei zu machen. Er hatte eingeräumt, über das Infektionsrisiko die Klägerin nicht ausdrücklich aufgeklärt zu haben, weil er davon ausging, dass die Klägerin als langjährige Pferdehalterin das Risiko kannte, das mit jeder Injektion verbunden ist. Er hatte allerdings nach den Feststellungen des OLG Behandlungsalternativen erörtert, nämlich die Verabreichung von Medikamenten über das Futter und eine intravenöse Injektion von Hyaluronsäure.

Der vom Gericht beauftragte Sachverständige hielt die letztlich durchgeführte Therapie einer intraartikulären Injektion mit Hyaluronsäure und einem Glukokortikoid als die „zielführendste“.

Sinn und rechtliche Bedeutung der Aufklärung

In der Humanmedizin ist eine korrekte Aufklärung Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung des Patienten in den vom Arzt durchzuführenden Eingriff. Der ist rechtswidrig, wenn der Patient nicht zuvor in die Lage versetzt wird, sich für oder gegen den Eingriff oder die anzuwendende Behandlungsmethode zu entscheiden. Der Humanmediziner, der einen Patienten beispielsweise operiert, ohne ihn zuvor ausreichend aufgeklärt zu haben, handelt rechtswidrig und begeht daher mangels wirksamer Einwilligung seines Patienten eine Körperverletzung. In der Veterinärmedizin wird das tierärztliche Vorgehen durch die Auftragserteilung legitimiert. Dennoch kann auch in diesem Bereich ein Schadenersatzanspruch unter bestimmten Voraussetzungen auf die Verletzung der Aufklärungspflicht gestützt werden. Der Tierarzt muss grundsätzlich über die zur Verfügung stehenden Behandlungsmethoden und ihre Risiken sowie über die Erfolgsaussichten der Therapie beraten. Gibt es mehrere Behandlungsmethoden zur Wahl, müssen auch die alternativen Methoden Gegenstand der Erörterung sein. Wird diese Aufklärungspflicht schuldhaft verletzt, stehen dem Auftraggeber Schadensersatzansprüche zu, wenn die Nichtaufklärung ursächlich wird für die Entscheidung, die Behandlung durchzuführen. Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Beweislast: Während in der Humanmedizin der behandelnde Arzt die ordnungsgemäße Aufklärung nachzuweisen, demgemäß auch zu dokumentieren hat, trägt im Bereich der Veterinärmedizin der Auftraggeber die Darlegungs- und Beweislast für die vertraglichen Pflichtverletzungen und den ursächlichen Zusammenhang der unterbliebenen Aufklärung mit dem Schaden.

Der Ausgangsfall

Dem Tierarzt, der das lahme Pferd der Klägerin zu behandeln hatte, standen die erwähnten drei Behandlungsalternativen zur Wahl. Die erfolgversprechendste für die Herstellung einer baldigen Lahmheitsfreiheit war die dann tatsächlich durchgeführte intraartikuläre Injektion. Der Tierarzt hat deswegen diesen Behandlungsweg empfohlen. Insoweit war er seiner Aufklärungspflicht nachgekommen. Der Klägerin wurde letztlich nicht abgenommen, dass sie sich über die Empfehlung des Tierarztes hinweggesetzt hatte. Sie hätte beweisen müssen, dass sie sich gegen die gewählte Methode vor deren Durchführung entschieden hätte, obwohl es die erfolgversprechendste und vom Tierarzt empfohlene war. Dieser Nachweis war der Klägerin nicht gelungen, weshalb die Aufrechnung letztlich nicht zum Erfolg führte.

Fazit

Die tierärztliche Aufklärungspflicht ist nicht vergleichbar mit der humanmedizinischen. Zudem muss der Pferdeeigentümer nicht nur nachweisen, nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden zu sein, sondern darüber hinaus auch, dass er sich anders, nämlich gegen die gewählte Methode entschieden hätte, wenn er vollständig über alle Risiken und Erfolgsaussichten informiert worden wäre. In den seltensten Fällen gelingt dieser Beweis, weil meistens das Verhalten des Patientenbesitzers sich nach den Empfehlungen des Tierarztes richtet und er sich nicht beratungsresistent verhält.

Dr. Dietrich Plewa
Rechtsanwalt/Fachanwalt

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