Nacherfüllung möglich?

Erschienen am 11.07.2022

Gerichte sind sich untereinander regelmäßig ähnlich uneinig wie die Parteien selbst - mit der Konsequenz, dass die Freude über ein positives Urteil zügig verblasst, wenn eine höhere Instanz dieselbe Rechtsfrage völlig anders beantwortet.

Der Sachverhalt

Die Klägerin erwarb von einem Pferdezüchter, dem späteren Beklagten, ein zehn Monate altes Fohlen zu einem Kaufpreis von 4.500 EUR, nachdem das Jungpferd erfolgreich eine Ankaufsuntersuchung pas-siert hatte. Kurz nach Übergabe fiel der Käuferin regelmäßiges Stolpern des Fohlens auf, nach sieben Monaten schließlich eine deutliche Lahmheit. Der daraufhin konsultierte Tierarzt diagnostizierte als Ursache der inzwischen chronischen Lahmheit eine hochgradig ausgeprägte Arthrose.

Die Klägerin erklärte sodann gegenüber dem Verkäufer den Rücktritt vom Vertrag. Der jedoch bestritt, dass das Fohlen zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft war.

Die Rechtslage

Wer ein Pferd kauft, dem bereits bei Gefahrübergang ein Mangel anhaftet, kann vom Kaufvertrag zurücktreten und vom Verkäufer neben dem Kaufpreis die bis zum Rückabwicklungszeitpunkt aufgewendeten Unterhaltungskosten zurückverlangen. Wurde der Kaufvertrag zwischen einem Unternehmer auf Verkäufer- und einer Privatperson auf Käuferseite geschlossen (sog. Verbrauchsgüterkauf), kommt dem Käufer eine Beweislastumkehr zugute: Tritt ein Mangel innerhalb des ersten halben Jahres nach Gefahrübergang auf, wird vermutet, dass er auch bereits beim Übergabezeitpunkt vorlag.

Ehe jedoch der Kaufvertrag tatsächlich rückabgewickelt werden kann, muss der Käufer dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung setzen, die nach Wahl des Käufers entweder durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung erfolgen kann. Die Fristsetzung ist dann nicht notwendig, wenn keine Form der Nach-erfüllung möglich oder dem Käufer die Nacherfüllung nicht zuzumuten ist.

Die erste Instanz

Im geschilderten Fall verlangte im Klagewege vor dem Landgericht (LG) die Käuferin die Rückabwicklung des Vertrages sowie die Erstattung der ihr entstandenen Unterhaltungsaufwendungen.

Für den Ausgang des Verfahrens waren zwei Gesichtspunkte von wesentlicher Bedeutung: Einerseits musste das Fohlen bereits zum Übergabezeitpunkt krank -im rechtlichen Sinne mangelhaft- gewesen sein. Eine klägerseits benannte Zeugin konnte bestätigen, dass das Pferd von Beginn an stolperte, was zunehmend häufiger zu beobachten gewesen sei. Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger hielt es außerdem für wahrscheinlich, dass das Fohlen aufgrund einer genetischen Disposition an einer Arthrose litt, die letztlich zu der chronischen Lahmheit geführt haben soll. Das Gericht nahm damit einen zum Gefahrübergangszeitpunkt vorliegenden Mangel an.

Es hatte dann weiter zu klären, ob die Rücktrittserklärung der Klägerin unter Fristsetzung zur Nacherfüllung zu erfolgen hatte. Die Käuferin nämlich hielt eine solche für entbehrlich, weil die Arthrose aus ihrer Sicht ohnehin nicht zu beheben, ein mangelfreier Zustand damit nicht zu erreichen gewesen sei. Das LG folgte unter Verweis auf die gutachterlichen Feststellungen der klägerischen Auffassung und hielt im Übrigen auch eine Nachbesserung durch Ersatzlieferung eines anderen Pferdes für unzumutbar, da die Käuferin das Fohlen aufgrund individueller Eigenschaften und ihres persönlichen Eindrucks gekauft, außerdem bereits eine emotionale Bindung aufgebaut hatte. Der Klage wurde in vollem Um-fang stattgegeben.

Die Berufungsinstanz

Das Oberlandesgericht (OLG) hielt insbesondere die Zeugenaussage, aber auch die gutachterlichen Feststellungen für nicht ausreichend, um einen Mangel im Übergabezeitpunkt als bewiesen anzusehen. Für wahrscheinlicher hielt es als Arthrose Ursache ein Trauma, das das Fohlen erst bei der Klägerin erlitten haben soll und auch dem Sachverständigen nach Ergänzung seines Gutachtens nicht mehr als völlig abwegig erschien. Außerdem hielt das OLG die Rücktrittserklärung für untauglich: selbst wenn man eine Nachbesserung für unmöglich hielt, sei das Fohlen in jeglicher Hinsicht austauschbar und der Klägerin eine Ersatzlieferung damit zumutbar.

Im Ergebnis kam es zu einer Rückabwicklung des Kaufvertrages also nicht, die Klägerin blieb Eigentümerin des dauerhaft unreitbaren Pferdes, der Beklagte behielt den Kaufpreis.

Fazit

Wem sich kurz nach Übergabe Zweifel an der Mangelfreiheit des gekauften Pferdes aufdrängen, sollte sich unmittelbar um fachliche -ggf. tierärztliche- Feststellungen bemühen. Gerade als Verbraucher kann das verstreichen lassen des ersten halben Jahres unschöne Folgen haben und einem Rücktritts-begehren die Grundlage entziehen. Doch auch Rückabwickeln will gelernt sein und so sollte gut über-legt sein, ob man aus Zeitersparnis tatsächlich auf die Fristsetzung verzichtet, möge eine Nacherfüllung auch noch so abwegig erscheinen.

Dr. Dietrich Plewa
Rechtsanwalt, Fachanwalt

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