Wertminderung durch Zungenverletzung eines Reitpferdes

Erschienen am 10.11.2021

Zungenverletzungen sind bei Pferden nicht selten. Die können sich Pferde selbst beibringen, aber auch durch Artgenossen oder auch durch Reiterhand verursacht sein. Bei Haftungsfragen stellt sich das Problem einer eventuellen Wertminderung.

Die veterinärmedizinische Beurteilung  

Soweit Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten Zungenverletzungen von Reitpferden sind, liest man regelmäßig, dass das verletzte Pferd nicht mehr beeinträchtigt ist, wenn die Verletzung der Zunge ausgeheilt ist. Die Gutachter gehen übereinstimmend davon aus, dass auch bei einer vernarbten, über die gesamte Breite der Zunge verlaufende Schädigung weder das Fressverhalten noch das Verhalten unter dem Reiter negativ beeinflusst wird.

Es ist deswegen auch schwerlich nachvollziehbar, wenn der Käufer eines Pferdes argumentiert, er habe einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Tierarzt, der bei einer tierärztlichen Kaufuntersuchung eine abgeheilte Verletzung der Zunge nicht bemerkt oder jedenfalls nicht dokumentiert hat.

Die Wertminderung

In einem vom Landgericht Nürnberg-Fürth entschiedenen Rechtsstreit (RdL 2021, 68) war das Gericht davon ausgegangen, dass der Bereiter dem ihm anvertrauten Pferd durch die Verwendung eines sehr scharfen Gebisses eine querverlaufende Schädigung der Zunge zugefügt hat. Die war nach wenigen Wochen vollständig verheilt, wies aber unverändert eine Narbe auf. Der Eigentümer beanspruchte Schadensersatz wegen nach seiner Auffassung dauerhaft verbliebener Wertminderung.

Das Gericht sah sich veranlasst, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Der beklagte Berufsreiter hat sich mit dem Argument verteidigt, von einer Wertminderung könne keine Rede sein, weil das Pferd nicht beeinträchtigt sei, was auch durch ein tierärztliches Gutachten ausdrücklich bestätigt worden war. Der Veterinärmediziner kam zu dem Ergebnis, dass die Narbe auf das Verhalten des Pferdes unter dem Sattel so wenig einen negativen Einfluss habe wie auf das Wohlbefinden des Pferdes.

Das Gericht ließ auch das Argument nicht gelten, dass die abgeheilte Zungenverletzung keinen Mangel im Sinne des Gewährleistungsrechts darstelle, weil es sich lediglich um eine Abweichung von der physiologischen Norm handelte. Zwar sei die Verletzung eines Tieres nicht in jeder Hinsicht dem Schaden einer Sache, etwa einem Kraftfahrzeug, gleichzustellen. Andererseits könne aber die Rechtsprechung, die für Sachen entwickelt wurde, auf Tiere übertragen werden. Beim Minderwert handele es sich um eine Minderung des Verkaufswertes, die trotz völliger Instandsetzung einer Sache bzw.

Ausheilung eines Lebewesens allein deshalb verbleibe, weil ein großer Teil potenzieller Kaufinteressenten eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb eines vormals beschädigten Fahrzeuges oder verletzten Tieres habe.

Die Höhe der Wertminderung

Es erscheint auf den ersten Blick paradox, dass einerseits objektiv keine Beeinträchtigung des Pferdes festgestellt werden kann, andererseits aber eine Wertminderung zur Höhe errechnet werden soll. Der vom Gericht mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Sachverständige meinte, es sei von einer Wertminderung von 10 % bis 15 % des Verkehrswertes auszugehen. Auch wenn man zugrunde lege, dass weder das Fressverhalten, noch die reiterliche Nutzung durch die ausgeheilte Zungenverletzung dauerhaft beeinträchtigt werde, könnte die sensible Zurückhaltung von Kaufinteressenten eine Wertminderung rechtfertigen.

Ergebnis

Das Gericht folgte den Ausführungen der Sachverständigen und gelangte zu dem Ergebnis, dass der Berufsreiter 10 % des ermittelten Verkehrswertes als Entschädigung zu zahlen habe.

Dr. Plewa
Rechtsanwalt / Fachanwalt

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