Haftungsverteilung bei Unfall an Pferd und SUV

Erschienen am 12.10.2021

Führer von Kraftfahrzeugen haben erhöhte Sorgfaltsanforderungen zu beachten, wenn sie im öffentlichen Verkehrsraum mit ihrem Fahrzeug Pferden begegnen oder diese überholen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat ein beachtenswertes Urteil verkündet.

Was war passiert?

Eine jugendliche Reiterin hatte anlässlich eines Turniers eine Springprüfung absolviert und war auf dem Rückweg vom Turnier- zum Parkplatz. Auf einem vier Meter breiten Weg kam ihr ein – ohne Außenspiegel gemessen – fast zwei Meter breites Fahrzeug, ein SUV entgegen. Als der Pkw das Pferd passierte, wurde dieses unruhig, schlug aus, beschädigte dabei den Pkw und verletzte sich selbst. Das Pferd behielt nach tierärztlicher Behandlung eine Bewegungseinschränkung einer Vordergliedmaße als Dauerschaden. Die Eigentümerin beanspruchte als Klägerin des Rechtsstreits 50 % des ihr entstandenen Schadens.

Die Rechtslage

Die Reaktion des Pferdes auf die Annäherung des Fahrzeuges stellt sich typischerweise als Realisierung der Tiergefahr dar. Das Pferd reagierte wegen des geringen Seitenabstandes ängstlich, wurde unruhig und hat dann ausgeschlagen, weil es sich gefährdet fühlte. Der Eigentümer des Fahrzeuges hatte daher seinerseits einen Schadensersatzanspruch gegen die Tierhalterin, der aber nicht Gegenstand des Rechtsstreits war.

Von dem Fahrzeug wiederum ging ebenfalls eine abstrakte Gefahr, die sog. Betriebsgefahr aus. Das OLG führt dazu aus: Wenn der Schaden durch ein Kraftfahrzeug und ein Tier verursacht wurde, kommt grundsätzlich eine Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge in Betracht. Anders als das Landgericht in erster Instanz sah das OLG auf Seiten der Pkw-Fahrerin, der Beklagten, keinen „für das Unfallereignis ursächlichen Sorgfaltsverstoß“. Zwar ging das Gericht davon aus, dass die Beklagte angesichts der örtlichen Gegebenheiten aufgrund des straßenverkehrsrechtlichen Rücksichtnahmegebots davon habe absehen müssen, an dem von der Klägerin in Gegenrichtung gerittenen Pferd vorbeizufahren. Ein ausreichender Seitenabstand von zumindest  1,5 m sei nicht einzuhalten gewesen. Andererseits könne aber nicht festgestellt werden, dass der Schadenseintritt vermieden worden wäre, wenn das Fahrzeug zum Stehen gebracht worden wäre. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Ausschlagen des Pferdes auch dann wegen der räumlichen Enge nicht auszuschließen sei.

Letztlich waren daher die vom Pferd ausgehende Tiergefahr und die Betriebsgefahr des SUV gegeneinander abzuwägen. Das OLG sah eine hälftige Schadensteilung als angemessen an.

Ergebnis

Die Beklagte wurde verurteilt, die Hälfte des der Pferdeeigentümerin entstandenen Schadens in der Form von Tierarztkosten und Wertminderung zu ersetzen. Die Entscheidung zeigt mit aller Deutlichkeit, dass die Gerichte es ernst meinen mit der Verpflichtung von Fahrzeugführern, im öffentlichen Straßenverkehr in erhöhtem Maße Rücksicht auf Reiter und Pferde zu nehmen.

Dr. Plewa
Rechtsanwalt / Fachanwalt

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