Vom Pferd zu fallen ist ein typisches Reiterrisiko

Erschienen am 12.08.2021

Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken des Pferdes, nicht auf dem Boden der Reithalle. Diese unliebsame Erfahrung und das Risiko sind mit dem Reiten nahezu zwangsläufig verbunden. Gerade deswegen ist Unfallverhütung oberstes Gebot bei der Erteilung von Reitunterricht. Das führt aber, wie der nachfolgende Beispielsfall zeigt, nicht automatisch zu einer Haftung des Reitlehrers, wenn der Schüler vom Pferd fällt und sich verletzt. 

Der Sachverhalt 

Der Kläger eines Rechtsstreits, der in 2. Instanz abschließend vom OLG Frankfurt entschieden wurde, hatte mit rund 30 Jahren mit dem Reiten begonnen. Mehr als ein Jahr später hatte er ein eigenes Pferd und begann, an Springstunden teilzunehmen. In einer Reitstunde hatte er einzelne Hindernisse problemlos überwinden können. In einer weiteren kam es dann zum Unfall. Die Aufgabenstellung war die, über eine Gymnastikreihe, bestehend aus niedrigen Hindernissen zu reiten. Wiederholt brach das Pferd des Klägers seitlich aus und lief an weiteren Hindernissen vorbei. Nach mehreren gescheiterten Versuchen war es dem Kläger noch einmal gelungen, die gesamte Gymnastikreihe zu überqueren. Bei einem weiteren Versuch allerdings ist sein Pferd dann nochmals an einem Hindernis vorbeigelaufen. Dadurch verlor der Reiter das Gleichgewicht, ist gestürzt und hat sich schwerwiegende Verletzungen zugezogen. Er nahm auf gerichtlichem Wege den Reitlehrer in Anspruch und führte zur Begründung aus, dass er objektiv und subjektiv überfordert gewesen sei. Der Reitlehrer sei verpflichtet gewesen, nach den gescheiterten Versuchen die Springstunde abzubrechen.

Die Sorgfaltspflicht des Reitlehrers  

Der beklagte Reitlehrer war als Angestellter eines Vereins tätig. Zwischen ihm und dem Kläger bestand kein Vertragsverhältnis. Allerdings haftet nach § 823 BGB derjenige, der zumindest fahrlässig die Gesundheit eines anderen gefährdet oder verletzt, für den sich daraus ergebenden Schaden. Der Reitlehrer hat grundsätzlich gegenüber dem Reitschüler eine Garantenstellung, aus der sich die Pflicht ableitet, durch fach- und sachgerechten Unterricht eine Überforderung von Mensch und Tier zu vermeiden.

Überforderung durch Verschulden des Reitlehrers? 

Für die Entscheidung des Prozesses war die Beantwortung der Frage entscheidend, ob der Reitlehrer seinen Schüler damit überfordert hatte, die Gymnastikreihe zu überwinden, obwohl mehrere Versuche nicht erfolgreich waren. Das Gericht meinte, es sei geradezu typisch für ein Training, dass Teilnehmer die Aufgabenstellung nicht von Anfang an bewältigen würden. Es gäbe auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Aufgabenstellung nicht dem Ausbildungsstand eines Pferdes entsprochen habe. Das zeige nämlich die Tatsache, dass er einmal die Hindernisse hatte problemlos überwinden können. Deswegen sei es auch nicht falsch gewesen, die Übung fortzusetzen und den Schüler anzuweisen, nach dem erfolglosen Versuch ein weiteres Mal die Reihe anzureiten. Das OLG kam dann zu dem Ergebnis, dass dem Reitlehrer kein Verschuldensvorwurf zu machen sei, dass vielmehr der Sturz die Verwirklichung des Risikos darstelle, das mit dem Springreiten verbunden sei.

Frage des Mitverschuldens 

Das OLG hat dann noch ergänzend hervorgehoben, dass die Klage selbst dann nicht begründet sei, wenn man eine Pflichtverletzung des Reitlehrers darin sehe, dass dem Kläger nicht geraten worden war, das Training abzubrechen. Insoweit sei von einem Mitverschulden aufgrund der Eigenverantwortung des Reitschülers auszugehen. Schließlich war der nicht gezwungen worden, die Aufgabe erneut anzugehen. Für die Entscheidung sei – so das Gericht – offensichtlich der persönliche Ehrgeiz des Klägers, gepaart mit einem gewissen Gruppenzwang, ausschlaggebend gewesen. Sie begründe ein so überwiegendes Mitverschulden, dass demgegenüber eine eventuelle mögliche Verantwortung des Reitlehrers zurückzutreten habe.

Fazit

Reitlehrer tragen grundsätzlich eine hohe Verantwortung. Andererseits ist das Haftungsrisiko allerdings nicht unbegrenzt, weil auch bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt beim Reiten Unfälle nicht generell auszuschließen sind.

Dr. Dietrich Plewa
Rechtsanwalt / Fachanwalt

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