Die Tierärztliche Aufklärungspflicht

Erschienen am 08.04.2021

Führt eine tierärztliche Behandlung nicht zum gewünschten Erfolg, sondern zu einer dauerhaften Schädigung des Pferdes, haftet der Tierarzt, wenn der eingetretene Schaden auf einem Behandlungsfehler beruht. Unter bestimmten Voraussetzungen allerdings genügt für die Haftung schon eine Verletzung der Aufklärungspflicht.

Ein Beispielsfall

Der Eigentümer eines Sportpferdes nahm die Hilfe eines Tierarztes in Anspruch für eine sportmedizinische Behandlung. Das behandelte Pferd war nicht lahm, vermittelte dem Kläger allerdings das Gefühl, auf einer Hand weniger Last aufzunehmen als auf der anderen. In einem in zweiter Instanz vom Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) entschiedenen Fall wurde das Pferd mit dem vor einigen Jahren in der Sportmedizin noch recht gebräuchlichen Präparat A-Cell behandelt. Das Präparat, das aus der Harnblase von Schweinen gewonnen wird und zumindest in Deutschland keine tiermedizinische Zulassung hatte, wurde in die vom Tierarzt ausgewählten Gewebestrukturen injiziert, nachdem vorher Blutplasma entnommen und dieses mit A-Cell angereichert worden war.

Grund der Schadensersatzklage war, dass sich im Bereich der Injektionsstellen Entzündungen gebildet hatten, die letztlich zur Sportuntauglichkeit des Pferdes geführt hatten.

Der vom Gericht beauftragte Sachverständige konnte in der durchgeführten Injektionstherapie selbst keinen Behandlungsfehler erkennen, zumal nicht festgestellt wurde, dass die Spritzen jeweils nicht fachgerecht gesetzt worden waren.

Die Grundlage der Haftung des Tierarztes war eine Verletzung der Aufklärungspflicht.

Die tierärztliche Aufklärungspflicht

Für den Tierarzt gelten nicht dieselben Maßstäbe wie für den Humanmediziner, weil es nicht um das Selbstbestimmungsrecht des Patienten geht. Der Pferdeeigentümer ist lediglich in groben Zügen über die Behandlungsmethoden und ihre Risiken zu informieren und über mögliche Behandlungsalternativen zu beraten. Hinzu kommt, dass der Tierhalter die Verletzung der Aufklärungspflicht zu beweisen hat, während im Rahmen der Humanmedizin der Beweis vom Arzt zu führen ist, weil dessen Eingriff als rechtswidrig anzusehen ist, wenn der Patient aufgrund unzulänglicher Aufklärung nicht wirksam eingewilligt hat.

Allerdings richtet sich auch in der Tiermedizin der an die Aufklärungspflicht anzulegende Sorgfaltsmaßstab danach, wie dringlich der Eingriff ist. Ist der zwingend erforderlich, um einen Therapieerfolg zu ermöglichen, sind die Anforderungen an die Aufklärungspflicht gering. Ist aber eine Injektion im Rahmen einer sportmedizinischen Behandlung als eher prophylaktisch anzusehen, spricht man im rechtlichen Sinne von einer allenfalls relativen Indikation. Noch weiter geht die Aufklärungspflicht, wenn ein Eingriff medizinisch gar nicht indiziert ist. Das ist in einem vom OLG München entschiedenen Fall dann anzunehmen, wenn es sich um eine Injektion homöopathischer Substanzen handelt, bei denen ein therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen ist.

Zum Beispielsfall

Bei dem Präparat A-Cell handelt es sich um ein stark reizendes Material. Nach Ausführungen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen konnte man ihm im Bereich der Behandlung von Bindegewebe sowie von Sehnen und Bändern einen gewissen therapeutischen Nutzen auf einer wissenschaftlich allerdings nicht belegten Grundlage nicht ganz absprechen. Der Gutachter hob allerdings auch hervor, dass es andere Methoden gäbe, die mit weniger Nebenwirkungen verbunden seien. Kontraindiziert sei wegen der stark reizenden Wirkung auf jeden Fall eine Injektion in Gelenke oder in die Fesselbeuge.

Über die insoweit bestehenden Risiken hätte der Auftraggeber aufgeklärt werden müssen. Die Verletzung der Aufklärungspflicht als solche führt noch nicht zur Haftung. Wenn allerdings vom Gericht nachvollzogen werden kann, dass bei ordnungsgemäßer Aufklärung der Auftrag zur konkreten Therapie nicht erteilt worden wäre, beruht der als Konsequenz der Behandlung eingetretene Schaden auf einer tierärztlichen Pflichtverletzung.

Fazit

Die Aufklärungspflicht ist zwar mit der des Humanmediziners nicht vergleichbar weder vom Umfang noch von den rechtlichen Konsequenzen her. Je weniger dringlich allerdings eine Therapie ist, desto höher sind die Anforderungen an den Tierarzt und zwar nochmals dann gesteigert, wenn mit der Behandlung ein großes Risiko, etwa eine dauerhafte Schädigung des Pferdes oder gar der Verlust verbunden ist.

Dr. Plewa / Dr. Schliecker
Rechtsanwälte/Fachanwälte

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