Wissenswertes: Die Aufklärungspflicht des Tierarztes
Erschienen am 08.07.2025

Ob und gegebenenfalls inwieweit über Narkoserisiken anlässlich einer Kastration aufzuklären ist, hatten das Land- und Oberlandesgericht Dresden zu beurteilen. Deren unterschiedliche Entscheidungen verdeutlichen, dass in der Rechtsprechung hinsichtlich veterinärmedizinischer Fragestellungen durchaus (noch) Klärungsbedarf besteht.
Der Sachverhalt
Der Kläger beauftragte den beklagten Tierarzt mit der Kastration seines Quarterhorses. Nach der komplikationslos verlaufenden Operation stürzte das Pferd in der Aufwachphase und zog sich eine Trümmerfraktur des Sprunggelenks zu. Der Pferdehalter warf dem Beklagten vor, durch die bloße Überlassung eines „Informationsblattes zu den allgemeinen Narkoserisiken“ nicht hinreichend über das Sturzrisiko aufgeklärt zu haben und machte Wertersatz geltend, nachdem das Pferd wegen der Unfallfolgen eingeschläfert werden musste.
Grundsätzliches zur tierärztlichen Aufklärungspflicht
Der Tierarzt schuldet dem Auftraggeber eine Beratung, aus der sich im Wesentlichen die Art und Weise des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten, Risiken und mögliche Alternativen ergeben. Tierärztliche Empfehlungen haben sich dabei zu richten nach den wirtschaftlichen Interessen des Tierhalters, dem ideellen Wert des Tieres und den Geboten des Tierschutzes. Die Aufklärungspflicht reicht dabei nicht so weit wie in der Humanmedizin, weil dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten in der Veterinärheilkunde keine Bedeutung zukommt.
Das erstinstanzliche Urteil
Das Landgericht Dresden sah die Aufklärungspflicht des Tierarztes verletzt, weil der Beklagte den Patientenbesitzer nicht in die Lage versetzt habe, von der Behandlung Abstand zu nehmen oder Vorkehrungen zur Risikobegrenzung zu treffen. Zwar sei in dem zur Unterschrift gereichten „Informationsblatt“ auf allgemeine Narkoserisiken, insbesondere Atmung, Herz und Kreislauf betreffend, hingewiesen worden. Die Aufklärung sei hingegen weder mündlich erläutert worden noch habe sie sich auf außerhalb des organischen Bereichs liegende Risiken erstreckt, wie die sich für Pferde insbesondere während der Aufwachphase ergeben.
Das zweitinstanzliche Urteil
Das Oberlandesgericht Dresden änderte das erstinstanzliche Urteil ab, nachdem es den Beklagten im Hinblick auf das Sturzrisiko während der Aufwachphase für nicht aufklärungspflichtig hielt. Das sei bereits von den allgemeinen Narkoserisiken umfasst, habe unabhängig davon aber im konkreten Sachverhalt mangels erkennbar hoher ideeller oder finanzieller Interessen des Klägers keine Aufklärungspflicht ausgelöst, zumal es sich um ein äußerst geringes Risiko anlässlich eines Routineeingriffs handle.
Fazit
Da die veterinärmedizinische Aufklärungspflicht deutlich weniger weit reicht als jene in der Humanmedizin, empfiehlt sich die konkrete Nachfrage nach bestehenden Risiken und möglichen Behandlungsalternativen. Eine solche nämlich löst jedenfalls eine Aufklärungspflicht des Tierarztes gegenüber dem Auftraggeber aus.
Tara Plewa / Rechtsanwältin