Ist Aggressivität ein Mangel?
Erschienen am 13.05.2025

Der häufigste Grund für Reklamationen nach Pferdekauf sind gesundheitliche Beeinträchtigungen. An einem Beispielsfall soll erläutert werden, dass auch Charaktermängel zu Gewährleistungsansprüchen führen können.
Was heißt dominant?
Die Klägerin eines in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) entschiedenen Falles hatte eine Stute für rund 5.000,00 € gekauft, die im schriftlichen Kaufvertrag als „etwas dominant“ beschrieben wurde. Die Käuferin hatte dann allerdings nach dem Stallwechsel erhebliche Probleme mit dem Pferd. Der Umgang erwies sich als gefährlich, weil das Pferd selbst beim Longieren nicht davon abzuhalten war, sich mit der Hinterhand zur Longenführerin umzudrehen und auszuschlagen. Die Käuferin hatte in Erfahrung gebracht, dass der Verkäufer das Pferd zuvor für einen noch deutlich geringeren Preis erworben hatte und dabei den Hinweis bekommen hat, dass die Stute „schwierig im Umgang“ sei. Die Käuferin hat ihre Klage darauf gestützt, dass die Beschreibung als „etwas dominant“ nicht die tatsächlichen Unarten des Pferdes wiedergebe, weder das Verhalten an der Longe noch die Aggressivität im Umgang. Sie hat deswegen den Vertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten.
In erster Instanz hatte die Klage keinen Erfolg. Das OLG allerdings war der Auffassung, dass die Anfechtung durchaus berechtigt war. Durch eine vom Gericht beauftragte Sachverständige wurden die charakterlichen Defizite des Pferdes bestätigt, insbesondere ein generell aggressives Verhalten des Pferdes, was zu einer erheblichen Gefährdung der mit dem Pferd befassten Personen führe.
Die Aufklärungspflicht
Eine arglistige Täuschung kann durch schlichtes Verschweigen begangen werden, wenn das angebotene Pferd solche Mängel aufweist, dass der Käufer erwarten darf, darüber aufgeklärt zu werden. Eine solche Aufklärungspflicht hat das OLG im geschilderten Fall angenommen. Der Voreigentümer des Pferdes hatte die Unarten, die von der Klägerin geltend gemacht worden sind, bestätigt. Die gerichtlich beauftragte Sachverständige ging davon aus, dass es sich um grundlegende Charakterfehler handele, die nicht sicher zu beseitigen wären.
Das OLG hielt die Beschreibung als „etwas dominant“ für nicht ausreichend. Der Verkäufer hätte vielmehr einer Aufklärungspflicht nur dadurch genügen können, dass er umfassend seine Erfahrung mit dem Pferd beschrieben hätte. Die unterlassene Information der Klägerin wurde als arglistiges Verschweigen gewertet, der Verkäufer daher zur Rückzahlung des Kaufpreises verurteilt.
Fazit
Der geschilderte Beispielsfall bestätigt eine Rechtsprechung, aus der zu entnehmen ist, dass jedenfalls über solche Unarten, charakterliche Defizite oder Temperamentschwierigkeiten ungefragt aufzuklären ist, deren Kenntnis den Käufer vom Erwerb des angebotenen Pferdes abgehalten hätte. Wird diese Aufklärungspflicht verletzt, hat der Käufer ein Anfechtungsrecht, dessen Ausübung zur Nichtigkeit des Vertrages führt.
Dr. Dietrich Plewa
Rechtsanwalt