Beweislast im Tierarzthaftpflichtprozess
Erschienen am 10.05.2024
In diesem Beitrag soll anhand eines Beispielsfalles die Beweislast im Tierarzthaftpflichtprozess dargestellt werden. Es ergeben sich deutliche Unterschiede zu den Grundsätzen, die in der Humanmedizin anzuwenden sind.
Ein Beispielsfall
Die Halterin eines Pferdes hatte den beklagten Tierarzt mit der Durchführung der Kastration ihres Hengstes beauftragt. Die wurde am stehenden Pferd erfolgreich durchgeführt. Zehn Tage später hat das Pferd dann eine Kolik erlitten, in deren Folge sich auch noch eine Hufrehe einstellte. Die Pferdehalterin hat das tierärztliche Honorar für die Kastration nicht bezahlt und außerdem Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Sie wollte die für die Behandlung von Kolik und Hufrehe entstandenen Aufwendungen ersetzt haben.
Zur Begründung führte sie an, dass sie über die zur Verfügung stehenden Kastrationsmethoden nicht aufgeklärt worden sei. Außerdem sei auf die fehlerhaft durchgeführte Kastration das Auftreten der Kolik und der Hufrehe zurückzuführen.
Die Aufklärungspflicht
Bei der Kastration kommen im Wesentlichen zwei Methoden in Betracht, die sich dadurch unterscheiden, dass die sogenannte unbedeckte Kastration am stehenden Pferd, die bedeckte an einem nach Narkose abgelegten Pferd durchgeführt wird. In mehreren gerichtlichen Entscheidungen ist ausgeführt worden, dass die tierärztliche Aufklärungspflicht nicht mit der eines Humanmediziners zu vergleichen ist. Zwar sollen die verschiedenen Kastrationsmethoden benannt und die jeweiligen Risiken erläutert werden. Wenn dann aber unter Berücksichtigung des Alters des Pferdes die Kastration am stehenden Pferd durchgeführt wird, nachdem der Hinweis erteilt wurde, dass es alternativ auch eine Kastration am in Vollnarkose liegenden Pferd gibt, ist das nicht zu beanstanden. Beide Methoden sind mit Risiken behaftet, die unbedeckte Kastration mit einem deutlich höheren Risiko eines Darmvorfalls, die bedeckte Kastration mit Risiken insbesondere in der Aufwach- und Aufstehphase.
Eine Aufklärung über ganz fernliegende Risiken schuldet der Tierarzt nicht. Der muss, so eine gerichtliche Entscheidung, nicht darauf hinweisen, dass sich eher theoretisch nach der Kastration eine Kolik, eventuell auch eine Hufrehe entwickeln können.
Der Behandlungsfehler
Sofern sich eine Komplikation nach erfolgreicher Kastration einstellt, ist der Pferdeeigentümer darlegungs- und beweispflichtig für einen Behandlungsfehler und dessen Ursächlichkeit. Wird dieser Beweis nicht erbracht, kann der Pferdeeigentümer gegenüber dem tierärztlichen Honoraranspruch nicht aufrechnen.
Der Honoraranspruch
Die Klägerin hat im Beispielsfalls gemeint, das tierärztliche Honorar für die Kastration nicht zu schulden. Diese Rechtsauffassung wäre aber nur dann durchschlagend, wenn die vom Tierarzt erbrachten Leistungen gänzlich unbrauchbar gewesen wären. Bei völliger Wertlosigkeit der tierärztlichen Arbeit aufgrund einer Schlechtleistung ist der Auftraggeber berechtigt, die Bezahlung des Honorars zu verweigern, ohne dass er die Aufrechnung mit einem Gegenanspruch erklären muss. Dann nämlich geht die Rechtsprechung von einem Schadensersatzanspruch aus, der auf die Befreiung von der Vergütungspflicht gerichtet ist. Die Voraussetzungen lagen aber in dem geschilderten Fall gerade nicht vor, schließlich war das Pferd erfolgreich kastriert worden, unabhängig davon, dass es dann später erkrankt ist.
Fazit
Grundsätzlich muss das tierärztliche Honorar jedenfalls auch dann gezahlt werden, wenn die tierärztliche Arbeit nicht völlig wertlos ist oder ein aufrechenbarer Gegenanspruch besteht. Für eine Schadensersatzforderung muss der Pferdeeigentümer eine Pflichtverletzung des Tierarztes und deren Ursächlichkeit für den finanziellen Schaden nachweisen.
Dr. Dietrich Plewa (Rechtsanwalt/Fachanwalt)