Vielseitigkeitspony mit Röntgenbefund mangelhaft?

Erschienen am 09.04.2024

Es gibt für die seit dem 01.01.2002 geltende Rechtslage zahlreiche Urteile, in denen es sinngemäß heißt, dass Röntgenbefunde bei Pferden keinen Mangel im Rechtssinne darstellen. Schließlich handele es sich um ein Tier, bei dem Abweichungen vom Idealzustand einkalkuliert werden müssten. Ganz unumstritten ist diese Rechtsauffassung nicht, obwohl sie vom BGH mehrfach vertreten wurde.

Sachmangel als Rechtsbegriff

In § 434 BGB ist der Begriff des Sachmangels definiert. Primär wird dabei abgestellt auf eine vereinbarte Beschaffenheit, also die vertragliche Festlegung auf bestimmte – negative wie positive – Eigenschaften des gekauften Pferdes. Darüber hinaus ist das Pferd nur dann mangelhaft, wenn es sich nicht für eine nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Hat es aber insoweit keine beweisbaren Absprachen zwischen Käufer und Verkäufer gegeben, könnte ein Mangel des Pferdes auch dann vorliegen, wenn es nicht eine Beschaffenheit aufweist, die bei Pferden „üblich ist und die der Käufer erwarten kann“, allerdings unter Berücksichtigung der Art des Kaufgegenstandes. Unter Hinweis auf diese Einschränkung (§ 434 Abs. 3 Ziff. 2a BGB) hat der BGH „Abweichungen von der physiologischen Norm“ nicht als Mangel angesehen. Für Röntgenbefunde soll das gelten, wenn die nicht schon bei Übergabe zu einer Lahmheit führen oder aber mit Sicherheit oder großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass in absehbarer Zeit klinische Befunde in Erscheinung treten.

Ein Beispielsfall

Die Klägerin eines in zweiter Instanz beim Oberlandesgericht in Nürnberg (OLG) entschiedenen Rechtsstreits hatte für ihre Kinder ein Pony gekauft, das im Vielseitigkeitssport eingesetzt werden sollte. Zur Klarheit hatte beigetragen, dass dieser Verwendungszweck im Vertrag ausdrücklich angegeben war.

Tatsächlich wies das Pony eine Zyste in einem Kniegelenk auf, die eigentlich bei der tierärztlichen Ankaufsuntersuchung schon hätte festgestellt werden sollen, was aber nicht der Fall war. Der Befund war von dem untersuchenden Tierarzt nicht erkannt oder übersehen worden.

Rund zwei Monate nach Gefahrübergang war eine Lahmheit aufgefallen, als deren Ursache dann zwei Monate später die Zyste festgestellt wurde.

In erster Instanz hatte die gegen den Verkäufer gerichtete Klage keinen Erfolg. Das OLG beurteilte den Sachverhalt jedoch anders. Mit der Angabe, dass das Pony im Vielseitigkeitssport eingesetzt werden solle, sei die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung genau umschrieben. Aufgrund der Zyste eigne sich das Pony für diese Verwendung nicht, so das OLG. Zur Begründung führte das Gericht an, dass der Befund erheblich von der Norm abweiche und mit einer Wahrscheinlichkeit von über 50 Prozent das Auftreten einer Lahmheit erwarten lasse. Einen definitiven Nachweis dafür, dass die Zyste die Lahmheitsursache darstellte, gab es zwar nicht, das OLG ging aber davon aus, dass der Röntgenbefund zur Lahmheit beigetragen habe und die Zyste eine ungünstige Prognose für die künftige Einsatzfähigkeit des Pony begründe.

Die Mängelrüge

Der Beklagte hatte sich noch mit dem Argument verteidigt, in dem Reklamationsschreiben der Klägerin sei lediglich eine Lahmheit erwähnt worden, aber nicht das Ergebnis. Die Mängelrüge sei daher unbeachtlich, ebenso die Aufforderung zur Nacherfüllung. Das OLG dagegen hob hervor, dass nach der sog. Symptomtheorie ein Mangel ausreichend bezeichnet sei, wenn der Auftraggeber in seiner Mängelrüge Symptome des Mangels benenne. Dem Käufer solle die Mängelrüge erleichtert werden, da er oftmals die genaue Ursache für die Symptome nicht kenne.

Fehler des Tierarztes

Weiterhin hatte der Verkäufer zu Recht darauf hingewiesen, dass der Tierarzt bei der Ankaufuntersuchung den Befund hätte feststellen müssen, jedenfalls war das die Auffassung des vom Gericht beauftragten Sachverständigen. Daraus leitete der Verkäufer das Argument ab, die Klägerin als Auftraggeberin der Kaufuntersuchung müsse sich den Fehler des Tierarztes anrechnen lassen. Dem folgte das OLG nicht. Dass der Tierarzt bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt den Befund hätte erkennen können, sei der Klägerin nicht als eigene Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis des Röntgenbefundes anzurechnen.

Fazit

Auch Röntgenbefunde, die zum Zeitpunkt der Übergabe des gekauften Pferdes noch keine Lahmheit verursachen, können rechtlich als Mängel anzusehen sein und eine Rückabwicklung des Pferdekaufvertrages rechtfertigen. In aller Regel hat sich der Käufer einen Fehler des Tierarztes nicht anrechnen zu lassen.

Dr. Dietrich Plewa
Rechtsanwalt, Fachanwalt

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