Verknüpfung von Kauf- und Untersuchungsvertrag
Erschienen am 08.03.2024
In schriftlichen Kaufverträgen, insbesondere in vorgedruckten Formularen, wird oft ein Zusammenhang hergestellt zwischen dem Ergebnis der tierärztlichen Kaufuntersuchung und dem Pferdekaufvertrag. Dieser Zusammenhang betrifft speziell den Gesundheitszustand des Pferdes im Sinne einer vertraglich vereinbarten Beschaffenheit.
Ein Beispielsfall
Geradezu exemplarisch hatte sich in erster Instanz das Landgericht Frankfurt mit einem Vertragsformular zu befassen, in welchem es hieß, dass die gesundheitliche Beschaffenheit sich nach dem Ereignis der tierärztlichen Kaufuntersuchung richten sollte. Wörtlich heißt es in dem Formular:
„Der Inhalt des aufgrund der tierärztlichen Untersuchung angefertigten tierärztlichen Gutachtens wird zum Bestandteil des Vertrages. Die dort getroffenen tierärztlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand des Pferdes bestimmen die gesundheitliche Beschaffenheit des Pferdes.“
Das streitgegenständliche Pferd war untersucht worden. Es wurde unter Anwendung des Röntgenleitfadens 2007 in die Klasse II bis III eingestuft.
Nach Übergabe stellten sich massive Rittigkeitsprobleme ein. Die tierärztliche Untersuchung ergab das Vorliegen eines zystoiden Defekts an der Brustwirbelsäule im Bereich der Sattellage. Der untersuchende Tierarzt diagnostizierte ein „Kissing-spine-Syndrom“ und sah diesen Befund als ursächlich für die Rittigkeitsprobleme an. Der Verkäufer bestritt einen Zusammenhang zwischen Röntgenbefund und den reiterlichen Schwierigkeiten. Der vom Gericht beauftragte Sachverständige bestätigte das Vorhandensein der Röntgenbefunde, äußerte aber, dass die Widersetzlichkeiten des Pferdes zwar mit diesem Befund zusammenhängen könnten, ein ursächlicher Zusammenhang sei aber nicht beweisbar.
Die Beschaffenheitsvereinbarung
Das BGB gibt im § 434 vor, dass ein Pferd nur dann als mangelfrei anzusehen ist, wenn es der vereinbarten Beschaffenheit entspricht. Das Landgericht Frankfurt hat ebenso wie das Oberlandesgericht (OLG) im Berufungsverfahren unter Hinweis auf das Gutachten festgestellt, dass das Pferd der Klägerin als mangelhaft anzusehen sei. Das wurde mit der negativen Abweichung des vom Gericht beauftragten Sachverständigen festgestellten Röntgenbefundes (III bis IV) gegenüber dem im Kaufuntersuchungsprotokoll attestierten Befund (II bis III) begründet. Nach Auffassung des Gerichts kam es nicht darauf an, ob dieser Röntgenbefund die nach Übergabe festgestellten Widersetzlichkeiten des Pferdes erklärt. Einen entsprechenden Nachweis schulde die Käuferin nicht. Es reiche insoweit, dass das Pferd dem ausdrücklich vereinbarten Zustand nicht entspräche, dass vielmehr der Röntgenstatus negativ von dem im Rahmen der Kaufuntersuchung festgestellten abweiche.
Dieser Standpunkt ist für die geschilderte Verknüpfung zwischen Beschaffenheitsvereinbarung und tierärztlichem Untersuchungsprotokoll mehrfach obergerichtlich bestätigt worden. Das OLG hat dazu ausgeführt: Wenn einerseits der Röntgenstatus im Rahmen der Kaufuntersuchung mit der Röntgenklasse II bis III festgestellt wurde und andererseits tatsächlich auf den Röntgenbildern der Kaufuntersuchung bereits zystoide Defekte nachweisbar sind, die in die Röntgenklasse III bis IV einzustufen sind, ist ein Mangel des Pferdes bewiesen. Das nach den Feststellungen des gerichtlich beauftragten Sachverständigen das Protokoll der Kaufuntersuchung inhaltlich fehlerhaft war, gehe nicht zu Lasten des Käufers, weil nach dem Inhalt des schriftlichen Vertrages maßgebliche Grundlage für die Feststellung eines Mangels das Protokoll der Kaufuntersuchung sein sollte.
Das OLG ließ auch den Einwand nicht gelten, dass die Rittigkeitsprobleme nicht beweisbar mit den Röntgenbefunden zusammenhängen könnten. Dazu das OLG:
Die Kausalitätsüberlegungen des Verkäufers (Ursachenzusammenhang zwischen dem Röntgenbefund und den Rittigkeitsproblemen) liegen neben der Sach. Im Mängelgewährleistungsrecht findet keine Motivforschung statt, bei der danach gefragt wird, was den Käufer zur Geltendmachung seiner Mängelgewährleistungsrechte veranlasst. Ist die Kauf-sache nicht vertragsgemäß, weil sie nicht der vereinbarten Eigenschaften entspricht, dann stehen dem Käufer ohne Weiteres seine Rechte nach § 437 Ziffer 2 BGB zu, also das Recht auf Rücktritt vom Vertrag oder Minderung des Kaufpreises.
Fazit
Auch wenn nach dem Röntgenleitfaden 2018 die Röntgenklassen „abgeschafft“ wurden, ist der rechtliche Prüfungsmaßstab derselbe. Wenn das Ergebnis der Kaufuntersuchung die gesundheitliche Beschaffenheit des gekauften Pferdes bestimmen soll, ist nach der insoweit einschlägigen Rechtsprechung jede negative Abweichung als Mangel anzusehen, der dann die gesetzlich vorgesehenen Rechte des Käufers begründet.
Dr. Dietrich Plewa
Rechtsanwalt