Ein Tornado als Auslösung der Panik eines Weidepferdes

Erschienen am 05.09.2023

Der von einem Kampfflugzeug (Tornado) ausgehende Lärm war die Ursache für das Erschrecken eines auf der Weide gehaltenen Pferdes. Die Fluchtreaktion des Pferdes hat zu dessen Verletzung geführt. Der Beispielsfall weckt grundlegende Fragen zur Haftung, insbesondere zur mitwirkenden Tiergefahr auf.

Ein Beispielsfall

Eingangs ist der Sachverhalt, der in zweiter Instanz vom Oberlandesgericht Celle (OLG), Beschluss vom 17.10.2022 – 14 U 114/22 zu beurteilende Sachverhalt bereits in seinen wesentlichen Zügen wiedergegeben. Das Pferd des Klägers wurde auf eine Weide gehalten, die von einem Tornado überflogen wurde. Das Pferd hat sich erschreckt, reagierte instinktiv durch Flucht, was zu einer Eigenverletzung des Pferdes führte.

Die maßgebliche Frage für den Erfolg oder teilweise der Klage war die Frage nach einer Mithaftung des Pferdehalters.

Die Rechtslage

Die Haftung des Halters des Flugzeuges ist im Gesetz (§ 33 I LuftVG) ebenso unabhängig von einem Verschulden geregelt wie die Haftung des Pferdehalters eines „Luxustieres“, also eines aus Liebhaberei gehaltenen Pferdes. Für das OLG stand fest, dass der Flugzeuglärm das Erschrecken des Pferdes ausgelöst und damit dessen Sturz verursacht hatte. Dem Grunde nach stand daher dem Pferdehalter ein Schadensersatzanspruch zu. Das OLG hat die Frage eines Verschuldens des Piloten nicht erwähnt, weil der Halter des Flugzeuges schon in erster Instanz und vorprozessual seine Haftung zu 80 % anerkannt hatte. Es ging um die Frage, ob sich der Tierhalter die von seinem Pferd abstrakt ausgehende Tiergefahr anrechnen lassen muss und bejahendenfalls mit welchem Prozentsatz.

Der Sturz des Pferdes war die Reaktion auf der Weide überfliegenden Tornado, sie entsprach dem typischen, unberechenbaren Verhalten des Pferdes. Es hatte sich damit – so das OLG – dessen typische Tiergefahr realisiert. Die Eigenverletzung des Pferdes beruhe auf einer schreckhaften, unkontrollierten Bewegung, die zu einem Sturz geführt habe. Das Eigengewicht des Pferdes habe sich in dem Sturz ohne weitere Fremdeinwirkung über das Flugzeug hinaus mitursächlich ausgewirkt.

Mitwirkende Tiergefahr

Das OLG hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) u. a. bereits ein Urteil vom 20.12.2005, VI ZR 225/04, für entscheidend gehalten, mit welchem Gewicht konkret sich das jeweils verkörperte Gefahrenpotenzial in der Schädigung manifestiert habe. Es ging also anders, als das oftmals von Versicherungen zu Lasten des Geschädigten unterstellten, nicht abstrakt von einem jeweils hälftigen Verursachungsbeitrag aus. Vielmehr müsse, so das OLG, eine Abwägung zwischen der vom Flugzeug einerseits und dem Pferd andererseits ausgehende abstrakte Gefahr berücksichtigt werden aber bezogen auf den konkreten Fall und die Auswirkung des jeweiligen Gefahrenpotenzials.

Mitverschulden

Zu unterscheiden ist von der Berücksichtigung der jeweiligen Betriebs- bzw. Tiergefahr ein Verschulden des Schadensverursachers oder auch ein Mitverschulden des Geschädigten. Würde bspw. ein Pkw-Fahrer mit unzureichendem Sicherheitsabstand an einem Pferd vorbeifahren und dadurch das Verscheuchen des Pferdes verursachen, würde dies zu einer Schadensquotelung zu Lasten des Pkw-Fahrers führen, bei grobem Verschulden sogar zu einer Nichtberücksichtigung der von dem verletzenden, scheuenden Pferd ausgehenden Tiergefahr. In dem konkreten Fall sah das OLG Celle keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Fahrlässigkeit des Piloten, z. B. durch Einhaltung eines unvertretbaren bspw. durch Nichteinhalten einer gebotenen Flughöhe.

Fazit

Aus der Entscheidung des OLG ist die Bestätigung abzuleiten, dass bei Verletzung eines Pferdes durch ein Pkw, durch ein Fahrzeug oder Flugzeug oder auch ein anderes Pferd nicht pauschal von einer jeweils hälftigen Schadensverursachung ausgegangen werden kann, dass es vielmehr darauf ankommt, mit welchem Gewicht die Verursachungsanteile prozentual zur Schadensverursachung beigetragen haben. Auf der Basis entsprechender Feststellungen hat dann die Schadensquotelung zu erfolgen.

Dr. Dietrich Plewa
Rechtsanwalt / Fachanwalt

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