Ich bewundere Euch liebe Bauern
Erschienen am 09.01.2024
Ein Protestteilnehmer am 8. Januar mit passendem Spruch. Ob das Essen, wenn nicht mehr genug aus der heimischen Region kommt, weil zunehmend Höfe sterben, noch die Standards hat, bzw. so produziert wird wie es in Deutschland nicht mehr möglich ist, scheint sehr fraglich zu sein. Zumindest erhöht der lange Anfahrtsweg die CO2-Bilanz. Archivfoto
Das müssen andere Organisationen erst mal hinkriegen. Die in jeder Hinsicht berechtigten Forderungen und Proteste der Bauern mit Blockaden der Autobahn-Auf- und -abfahrten in so kurzer Zeit deutschlandweit mit tausenden Bauern minutiös und unter einheitlicher Befolgung der Absprachen mit den staatlichen Behörden in allen Bundesländern zu organisieren. Ja, natürlich gab und gibt es dadurch Beeinträchtigungen der Bevölkerung. Die aber sind im Vergleich zu den berechtigten Anliegen sehr gering. Sie ließen sich im aktuellen Fall vom 8. Januar, wie in meinem persönlichen, der ich um 8 Uhr einen wichtigen Termin hatte der nur mit dem Auto zu erreichen war, nach rechtzeitiger und logistisch guter Planung lösen.
Was mich besonders beeindruckt hat, trotz der aufgestauten Wut blieb alles friedlich. Die eindeutige Positionierung der Vertreter des Bauernverbandes, dass Trittbrettfahrer, die Umsturzgedanken und Verschwörungstheorien propagieren wollen ausdrücklich unerwünscht sind, zeigte bis auf wenige Ausnahmen Wirkung. Keine Reichsbürgerflaggen, keine blöden Sprüche, keine Galgen mit baumelnder Ampel. Von zu vernachlässigenden Ausnahmen abgesehen.
Liebe Bauern und Landwirte, ich, der ich aus der Landwirtschaft komme, bin völlig solidarisch mit Euch und habe das auch in Umfragen bekundet. Ich habe noch mit meinem kriegsbeschädigten Vater Ende der 1950er Anfang der 1960er mit dem Erntebinder (von drei Pferden in Breitanspannung gezogen) Getreide gemäht und den mit Wicken durchsetzten Langroggen auf wackeligen Beinen mit einem Haken über den Torpedo des Binders gezogen. Und im Spätherbst bei eisigen Wetter mit der Hand Zuckerrüben auf kleine Haufen geworfen. Ich weiß was Landwirtschaft bedeutet.
Ich bin froh und dankbar, dass es in der jungen Generation immer noch Idealisten gibt, die Bauern sind oder werden wollen. Und ich kann die verstehen, die, mehr oder weniger aus wirtschaftlichen Gründen, keinen Ausweg sehen und gezwungen sind, wegen der gesellschaftlichen und politischen Drangsalierung mit immer neuen Vorschriften und Einschränkungen, aufzugeben. Die neuesten Pläne der Bundesregierung haben das Fass lediglich zum Überlaufen gebracht. Das sei denen gesagt, die darauf hinweisen, dass die Regierung den größten Teil der über Nacht zusammengeschusterten Beschlüsse zur Haushaltsanierung, der die Landwirtschaft betrifft, doch zurückgenommen hat.
Es ist viel mehr die Gängelung der sich die Landwirtschaft seit Jahren ausgesetzt sieht, die kaum noch finanzielle Spielräume ermöglicht und Unsicherheit schürt. Um überhaupt noch zu überleben müssen Tierbestände und Flächen immer größer werden. Es gibt immer neue Forderungen was das Tierwohl betrifft, dabei wissen die Bauern selbst am besten was dem Wohl der Tiere dient. Damit einhergehende hohe Investitionen in Stallanlagen. Deren Rückzahlung dadurch gefährdet wird, weil politische Vorschriften nicht nachhaltig genug sind und sich kurzfristig ändern. Zwangsstilllegung von vier Prozent der Ackerflächen, Einschränkung der Wildkrautbekämpfungsmittel, Gewässerschutz, Senkung der Nitratbelastung durch 20 Prozent weniger Düngemittel und vieles mehr haben dazu geführt, dass der Bauer am Ende kaum noch seine Familie ernähren, geschweige den seinen Mitarbeitern auskömmliche Löhne zahlen kann.
So habe ich Ende der 1950er Anfang der 1960er noch zusammen mit meinem kriegsbeschädigten Vater unser Getreide gemäht. Dieses sehr unscharfe Foto stammt von 1961. Es zeigt meinen Vater, der (von ihm aus gesehen) links die Staatsprämienstute St. Georgs Glut, genannt Gerdi (v. St. Georg), angespannt hat, die mein Cousin Peter Schulz ritt. In der Mitte ihr Sohn Georgia (v. Dolomit), mein erstes Reitpferd. Wie der zu dem Namen kam weiß ich nicht. Rechts die Stute Loni (v. Fortress). Privatfoto
Denen, die sagen die Bauern bekämen schon hohe Subventionen, nun sei mal genug, sage ich - nein die Bauern bekommen keine Subventionen, sie erhalten einen Ausgleich dafür, dass sie auf dem europäischen Markt wettbewerbsfähig bleiben und Lebensmittel preiswert sind (für mich übrigens nach wie vor zu preiswert, wenn man sieht was immer noch weggeworfen wird). Würde ein Stück Butter fünf Euro kosten und der Landwirt würde dieses Geld auch bekommen, dann wären die Zahlungen nicht notwendig, hat Peter Sanftleben (Chef des Landesamtes für Landwirtschaft und Fischerei in MV) errechnet.
An dieser Stelle muss mal deutlich hervorgehoben werden. Bauern sind keine Arbeitnehmer für deren Lohn/Gehalt sich Gewerkschaften einsetzen und ggfs. mit Streikaufrufen ihre Forderungen durchzusetzen versuchen. Bauern sind Unternehmer wie in Industriebetrieben. Heute mehr denn je. Ohne akademische Ausbildung sind Landwirtschaftsbetriebe kaum noch zu leiten. Dass Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen in der Industrie, auch aufgrund ihrer Verantwortung und Risikobereitschaft, mehr verdienen als der „normale“ Arbeitnehmer, wird gesellschaftlich nicht beanstandet. Es sei denn das Maß wird überschritten, wie vielfach leider der Fall. Das muss auch für Bauern gelten. Es wäre zutiefst ungerecht, wenn die, die für unsere Nahrungsmittel sorgen, sozusagen am „Hungertuch“ nagen müssen.
Deshalb liebe Bauern und Landwirte, die ihr auf dem Boden unseres Grundgesetzes und zu Europa steht, die ihr euch eindeutig von deren Gegnern distanziert, streitet und kämpft weiter mit friedlichen Mitteln dafür, dass Eure berechtigten Sorgen von Land, Bund und Europäischer Union gehört werden. (fw)