FANNY LADY: Ein Turnier- und Zuchtpferd im biblischen Alter von 35 Jahren bei guter Gesundheit

Erschienen am 05.07.2023
Fanny Lady und Sylva Tkotsch 1997 im Springparcours bei der Deutschen Jugendmeisterschaft in Balve.

Fanny Lady und Sylva Tkotsch 1997 im Springparcours bei der Deutschen Jugendmeisterschaft in Balve.

Wir schrieben das Jahr 1987. Die Unzufriedenheiten und Unruhen in Deutschland nahmen langsam Fahrt auf. Landwirtschaftsbetriebe und Pferdezüchter gingen aber in alten Strukturen ihren gewohnten Aufgaben nach. So auch das Volkseigene Gut (VEG) Hohen Luckow, wo jüngst der „Deutschlandpreis der Ponyreiter“ ausgetragen wurde, aktuell unter dem Pseudonym „Goldene Schärpe“ bekannt.

1997 - hier in Eichstädt bei Berlin - markierte den sportlichen Höhepunkt von Fanny Lady, damals gerade mal 9 Jahre alt.

1997 - hier in Eichstädt bei Berlin - markierte den sportlichen Höhepunkt von Fanny Lady, damals gerade mal 9 Jahre alt.

Da ließ Karl-Ulrich Garbe aus Satow, der damals für die auf hohem Niveau betriebene Pferdezucht in Hohen Luckow zuständig war, die Alarich I (v. Albatsohn/T.) / Sendbote / Amato-Stute ASSIENA vom Hengst FABULIST (Ralf/T. / Polarkreis/T. / Altgesell/T.) decken. Daraus wurde 1988 ein blutgeprägtes munteres und keckes Fuchs-Stutfohlen geboren. Es wuchs in Hohen Luckow auf. Die Stute wurde 1990 durch Vermittlung von Walter Loll (Bereichsleiter im VEB Tierzucht des Bezirkes Rostock) an die Eltern von Sylva Tkotsch verkauft. Weil Sylva erst 12 Jahre alt und das Pferd nicht zu groß (gut 160 cm), sollte die Stute, der sie den Namen FANNY LADY gaben, nach Ponys, ihr erstes Großpferd werden.

Sie kam zunächst zum Einreiten in einen bekannten Stall. „Nach zwei Wochen holten wir sie jedoch auf mein Drängen zu uns, weil ich wunde Maulwinkel und Sporenstellen entdeckte“, erinnert sich Sylva Tkotsch. „Ab da ritt nur ich die kleine Kämpferin noch und sie kämpfte wahrlich nur für mich. Ich erinnere mich, als ich bereits viele Platzierungen mit ihr hatte, die Stute kurzfristig bei meinem Reitverein in Lichtenhagen stand, und mir ein erfahrener S-Springreiter beweisen wollte, dass jeder dieses Pferd reiten kann. Und was soll ich sagen - zweimal hintereinander parkte meine „Fanny“ bei einem kniehohen Sprung und warf diesen überzeugten Reiter zweimal ab. Er lachte, übergab mir Fanny Lady wieder und war geläutert. Die Stute war eben völlig auf mich bezogen.

Fanny Lady im hohen Alter mit ihrer ehemaligen Reiterin und Freundin Sylva Tkotsch auf der Weide ihrer Freundin Sabrina Hiller in Warnemünde-Dietrichshagen.

Fanny Lady im hohen Alter mit ihrer ehemaligen Reiterin und Freundin Sylva Tkotsch auf der Weide ihrer Freundin Sabrina Hiller in Warnemünde-Dietrichshagen.

Die Zeit in der Sylva Tkotsch sie auf Turnieren geritten hat war mit 5 Jahren recht kurz. In dieser Zeit waren sie aber ein erfolgreiches Paar. Von 1993 bis 1997 kamen sie gemeinsam von Klasse A bis M zu 111 Platzierungen, darunter 21 Siege. Fanny Lady war doppelt veranlagt. Die Hälfte ihrer Platzierungen entstammen der Dressur bis Klasse L. In dieser Disziplin holten sie bei Landesmeisterschaften auch eine Silber- und Bronzemedaille. Im Springen gab es 1995 einen Landesmeistertitel 1996 holten sie sich die Silbermedaille. Auf vielen Turnierplätzen in Deutschland stellten sich Erfolge ein. Auch vom Berliner-Olympiastation brachten sie Schleifen mit. Höhepunkt war zweifellos die Deutsche Jugendmeisterschaft 1997 in Balve.

Ich werde nie vergessen, dass wir in Balve das einzige Paar aus der MV-Riege waren, dass sich für das Finale qualifiziert hatte. In der 2. Wertung bei den Junioren (ich war damals 17) hatten wir einen Abwurf und Zeitfehler. Ich weiß noch, als ich in den Parcours einritt, dass am Rande jemand sagte: <Watt will die denn mit dem Pony hier>. Fanny bekam damals eine Erkältung, mit kräftigem Abhusten nach diesem Springen. Deshalb entschieden wir uns zusammen mit dem damaligen Landestrainer Rolf Günter, Fanny in Balve nicht weiter zu reiten.

Sylva Tkotsch hat Fanny Lady daraufhin aus dem Sport genommen, damit sie ihre verschleppte Erkältung auskurieren konnte. Die Genesungszeit wurde genutzt, um mit ihr zu züchten. Weil das 1. Fohlen gut gelungen war und Sylva inzwischen genügend andere Pferde hatte, wurde die Zucht nun die zweite Lebensaufgabe von Fanny Lady. „Fanny blieb bei mir bis 2004 und ich zog insgesamt 4 Hengstfohlen mit ihr. Zwei erhielten eine Fohlenprämie und alle gingen erfolgreich im Sport“, sagt Sylva Tkotsch. Der letzte war 2004 ein Sohn von Calando Landgraf der den Namen Charlie Parker erhielt, für das Bundeschampionat qualifiziert war und bis Ende 2022 noch in Bayern unter dem Namen Cicero mit Angela Imhoff erfolgreich auf Turnieren lief.

Bei einem Pferd mit 35 Jahren, was etwa einem 100-jährigen Menschen entspricht, darf auch der Rücken schon mal nachlassen.

Bei einem Pferd mit 35 Jahren, was etwa einem 100-jährigen Menschen entspricht, darf auch der Rücken schon mal nachlassen.

2005 kam die Stute zu einer Familie deren 12-jährige Tochter Reiten lernen sollte. Das klappte leider nicht wie gedacht, weil Fanny als Freizeitpferd zu motiviert war. Sylva Erzählt: „Durch Zufall, ohne dass ich es wusste, kam die Stute dann nach Hamburg. Ich hörte nur, dass die neue Besitzerin sehr zufrieden war und viel auf Fanny gelernt hat. Ich war baff als ich mitbekam wer es war. Eine Freundin, zu der ich seit meiner Berufsausbildungszeit keinen Kontakt mehr hatte.“ Als deren Zeit begrenzter wurde kam Fanny Lady wieder nach Mecklenburg und erhielt in Warnemünde-Dietrichshagen bei Sabrina Hiller ein neues Zuhause. Zu deren Familie hat Sylva Tkotsch seit ihrer Zeit in Rostock-Elmenhorst gute Kontakte.

Bei Sabrina, meiner lieben Freundin, genießt sie nun auch ihren Lebensabend in ihrer/meiner alten Heimat am Meer in Dietrichshagen. Sabrina kümmert sich aufopferungsvoll um sie und spart an keinem Mittelchen, um der alten Dame ihr Altern leichter zu machen. Fanny ist wie ein Maskottchen und alle lieben die Stute“, erzählt uns Sylva Tkotsch, die 1999 selbst einen schweren Schicksalsschlag erlitt, sich aber wieder ins Leben gekämpft hat, nochmal ein Studium aufnahm, wieder im Sattel sitzt und sich der Kunst verschrieben hat. (fw - Fotos privat)

Warenkorb

Sie haben 0 Artikel in Ihrem Warenkorb

Warenkorbwert: 0,00€