Ein Reitmeister wird 90: Wolfgang Müller
Erschienen am 06.10.2021
Am 6. Oktober feiert der in Landsberg/Warthe (Schlesien) geborene Wolfgang Müller seinen 90. Geburtstag. Geprägt durch eine Krankheit wird es diesmal eine kleine Runde in Löbnitz sein, wo er mit seiner ehemaligen Reitschülerin und Ehefrau Ina Saalbach lebt. Als Gäste haben sich seine einstigen Reiterkameraden Horst Köhler und Gerhard Brockmüller angesagt, mit denen er in der DDR zum Armeesportklub gehörte. Die drei holten 1969 in Wolfsburg als

Wolfgang Müller mit seiner Frau Ina Saalbach-Müller auf ihrem Anwesen in Löbnitz. © Begall
Mannschaft die Silbermedaille bei den Europameisterschaften (im Einzel wurde Müller Sechster) und zwei Jahre danach wurde das Trio noch einmal Vierter in der VW-Stadt. In Aachen gab es 1970 noch dazu Bronze bei den Welttitelkämpfen (Einzel Achter). Bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexico verpasste das Team knapp Bronze und wurde Vierter sowie 1972 in München Fünfter (beides Mal 16. im Einzel).
„Dabei hätte das Ergebnis in München noch besser sein können“, blickt er zurück. Der mexikanische Richter Julio Herrera hatte ihn wie auch seine Mitstreiter sichtlich weit hinten in der Rangierung (21. Platz). „Die Ursachen lagen in einer Auseinandersetzung des Mexikaners mit unserem Trainer Oberst Franticek Jandl“, glaubt er noch heute.

Wolfgang Müller mit seinem langjährigen Erfolgspferd Marios in Potsdam. © Ludenia
Von München nahm er inspirativ die Olympia-Quadrille mit nach Löbnitz (Sachsen), wo er nach der Auflösung des Klubs und Streichung des Reitsports aus dem DDR-Olympiaprogramm eine neue Heimat fand. Fortan bildete die Große Dressurquadrille aller Grand Prix-Teilnehmer den Höhepunkt beim Reitturnier in Löbnitz, an der auch nach der Wende bundesdeutsche Reiter teilnahmen.
Der elfmalige DDR-Meister in der Dressur, der nach dem Krieg in der Altmark zum Reitsport kam und in den 50er Jahren im einstigen Landgestüt Halle-Kreuz als Gestütswärter eine intensive Grundausbildung bekam, blieb in all den Jahren immer ein Pferdemann. Als er zum Armeesportklub Potsdam von Oberst Kopenhagen geholt wurde, gaben Trainer wie Werner Eggers und Willi Lorenz reiterliche Tipps, aber vieles brachte er sich auch selbst bei. Nach seinen Erfolgen mit den Pferden Marios und Szemafor legte er keineswegs die Hände in den Schoß, sondern brachte den Nachwuchs aufs Treppchen. Und auch nach der Wende förderte er sächsische und ostdeutsche Talente. Für seine Leistungen als Reiter und Ausbilder wurde er, ein Vertreter der klassischen Reitkunst, 1998 als Reitmeister von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) ausgezeichnet.
Was sagen Freunde zum 90. Geburtstag?
Horst Köhler, ehemaliger ASK-Reiter: Wir waren viele Jahre zusammen in einem Stall und haben gemeinsam ein gutes Team (dazu gehörte auch Gerhard Brockmüller) gebildet. Anfangs war ich sogar zwei Jahre bei ihm als Pferdepfleger und hatte bei Turnierbesuchen in der Altmark immer schöne Stunden mit ihm. Wolfgang war immer kollegial, hilfsbereit und gefällig. Wir sind immer gut ausgekommen und die Freundschaft hat bis heute Bestand.
Madeleine Winter-Schulze, ehemalige West-Berliner Dressurreiterin und Mäzen von Isabell Werth: Ich habe den guten Kerl und wunderbaren Freund Wolfgang Müller über seine Frau olfgang Müller bei Turnieren in Polen kennengelernt und gute Erinnerungen. Als Trainer hat er die Grundlagen der Reiterei seinen Reitschülern gut weitergegeben. Ina hat nach der Wende zwei Pferde von mir erfolgreich geritten, die später in der Zucht eingesetzt wurden.

Wolfgang Müller (r. auf Semafor), beim Nationenpreissieg in Lepzig mit seinen Teamkollegen Gerhard Brockmüller auf Tristan (Mitte) und Horst Köhler auf Alfermat mit Trainer Willi Lorenz, der den Siegerpokal aus den Händen von Arno von Lenski erhältentgegen nimmt. © Mihatsch
Marianne Fankhauser (geb. Gossweiler), ehemalige Schweizer Dressurreiterin: Wir hatten bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexico großen Respekt vor den hervorragenden DDR-Reiten, denn ihnen eilte ein ausgezeichneter Ruf voraus. Leider hatten wir mit ihnen keinen Kontakt - damals aus politischen Gründen. Es war sofort zu erkennen, dass sie ihre Pferde nach den gleichen Richtlinien wie wir und unsere Kollegen aus der BRD ausgebildet hatten. 53 Jahre später erinnerte ich mich nach einem Beitrag in ludwigs-pferdewelten sofort an Herrn Müller und an seinen dunkelbraunen, etwas „nervigen“ Wallach Marios. Noch im selben Jahr habe ich ihn mit meinem Mann besucht und richtig kennen gelernt. Im Gegensatz zu dem unnahbar und äußerst streng und militärisch wirkenden Reiter von 1968 begegnete ich 2016 dem Menschen Wolfgang Müller. Eine herzliche Freundschaft hat sich nicht entwickeln müssen, sie war sofort da. Es war, als hätten wir uns 1968 als beste Freunde getrennt und uns dann viele Jahre nicht mehr gesehen. Es ist die Einstellung von Wolfgang welche mich beeindruckt. Trotz seines schweren Unfalls vor einigen Jahren gewinnt er dem Leben immer wieder Positives ab, kann sich herzlich freuen. Seinen Humor bewundere ich immer wieder.
Ute Jacobs, Estrel Berlin, die mit ihm zwei Bücher schrieb: Ich hatte das große Glück, dass er sich vor 14 Jahren bereit erklärt hat, meine Stute Wolke zu sich in seinen Stall zu nehmen und auszubilden. Von dieser konsequenten Ausbildung profitierend konnten wir in nur zwei Jahren von der Klasse A-S starten. In diesen Jahren lernte ich viele andere Reiter der ehemaligen ASK Mannschaft kennen und entschied mich, über diese Reiter ein Buch zu schreiben. Fast ein Jahr hat es gedauert, die Geschichten und Anekdoten aufzuschreiben und Fotos und Material für das Buch zu sammeln.