Holger Wulschner, der erfolgreichste ostdeutsche Reiter wird 60

Erschienen am 06.12.2023

Die Karriere eines Springreiters, der sein ganzes Leben auf Pferde und Pferdesport ausgerichtet hat und in seiner Korrektheit im Umgang und der Ausbildung von Pferden und Reitern ein echtes Vorbild für die Jugend ist.

2000 ließ Holger Wulschner mit dem Sieg im Deutschen Springderby aufhorchen. Auf Capriol gewann er nicht nur das Finale, sondern auch beide Qualifikationen, was vorher noch keinem gelang. © Jutta Wego

2000 ließ Holger Wulschner mit dem Sieg im Deutschen Springderby aufhorchen. Auf Capriol gewann er nicht nur das Finale, sondern auch beide Qualifikationen, was vorher noch keinem gelang. © Jutta Wego

Geboren wurde Holger Wulschner am 8. Dezember 1963 im kleinen Ort Neurüdnitz, 2 Kilometer von der Oder entfernt, unweit von Bad Freienwalde. Obwohl seine Eltern keine Verbindungen zu Pferden hatten, erwachte bei Holger schon in ganz jungen Jahren das Interesse an ihnen und er wollte gern reiten. Dieser Wusch erfüllte sich im nahegelegenen Zäckericker Loose, wo die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (LPG) Pferdezucht betrieb und wo es eine Sektion Pferdesport gab. Dort ritten zu jener Zeit Wolfgang Herzberg, Wilfried Daue, Herbert Dewitz, Sabine Willberg und andere, die gute Turnierergebnisse vorweisen konnten. Wolfgang Herzberg wurde später auch beim Armeesportclub (ASK) Potsdam erfolgreich.

Holger Wulschner wird 60. Das Haupt ist zwar schütterer geworden, was dem Tatendrang und Humor von ihm und seiner Ehefrau Astrid aber nichts anhaben kann. © Jutta Wego

Holger Wulschner wird 60. Das Haupt ist zwar schütterer geworden, was dem Tatendrang und Humor von ihm und seiner Ehefrau Astrid aber nichts anhaben kann. © Jutta Wego

Das Buch „Der Pferdesport in der DDR 1951-1990“, in dem Holger Wulschner 54 Mal steht, erwähnt ihn erstmals 1976, als er mit 13 Jahren am internationalen Freundschaftsturnier in Holzendorf bei Prenzlau teilnahm und sich mit seiner kleinen Stute Fuchsie in den L- und M-Springen platzieren konnte. Im gleichen Jahr nahm er mit Fuchsie erstmal auch an den DDR-Meisterschaften der Nachwuchsreiter in Cunnersdorf teil und kam auf Rang 15. Sein großes Talent, gepaart mit Gewissenhaftigkeit und Ehrgeiz, war damals schon deutlich zu erkennen.

Er war fest entschlossen, entgegen seiner Eltern, die ihn gern in einem technischen Beruf gesehen hätten, Pferde und Pferdesport zu seinem Lebensmittelpunkt zu machen. Und so begann er 1978 in Zäckericker Loose die Lehre zum Pferdewirt. Bei der erneuten Meisterschaftsteilnahme 1978, die wiederum in Cunnersdorf stattfand, kletterte er mit Fuchsie schon auf Rang 5.

In den Jahren 1988 und 1989 ritt Holger Wulschner in Schlaitz. Der Intendant-Sohn Idealist gehörte zu seinen erfolgreichsten Pferden. Er wechselte mit nach Passin. © Mihatsch

In den Jahren 1988 und 1989 ritt Holger Wulschner in Schlaitz. Der Intendant-Sohn Idealist gehörte zu seinen erfolgreichsten Pferden. Er wechselte mit nach Passin. © Mihatsch

1979 gab es den ersten sportlichen Höhepunkt. In Wörmlitz wurde Holger Wulschner zum ersten Mal DDR Jugendmeister, wiederum mit Fuchsie, der er seine ersten großen Erfolge verdankt. 1980 fand die Meisterschaft wieder im sächsischen Cunnersdorf statt und es folgte der zweite Meistertitel für den inzwischen 17-Jährigen. Den DDR-Meistertitel Nummer 3 gab es 1983. Wieder war Cunnersdorf der Austragungsort. Diesmal war jedoch Gunako sein Sportpartner.

Inzwischen wurden Vertreter von Leistungszentren auf das Talent Wulschner aufmerksam. 1986 holte ihn Norbert Semmer nach Mücheln, Chef der dortigen renommierten Reitsportorganisation im Geiseltal südlich von Halle, wo damals auch Rolf Günther und Michael Thieme ritten. Hier gab es für Holger Wulschner mit dem Pferd Gulden II die ersten internationalen Einsätze. So z.B. beim CSI Hortobagy/HUN, wo er zu zwei Platzierungen kam. Für alle Experten unerwartet siegte er 1986 mit Gulden II, inzwischen 22 Jahre alt, beim CSI Gera im Großen Preis. Bei den DDR-Meisterschaften in Sukow wurde das Paar im gleichen Jahr Achter. Auch 1987 konnte sich Holger Wulschner bei internationalen Turnieren in Ungarn und Gera mehrfach platzieren.

1989 präsentierte sich Holger Wulschner bei dieser Ehrung noch mit vollem Haar. Neben ihm seine Nationalmannschaftskollegen Ralf Deutschmann und Ralf Blankenburg. © Röder

1989 präsentierte sich Holger Wulschner bei dieser Ehrung noch mit vollem Haar. Neben ihm seine Nationalmannschaftskollegen Ralf Deutschmann und Ralf Blankenburg. © Röder

Neben Mücheln gab es damals im nördlich gelegenen Schlaitz am Muldestausee eine renommierte Pferdesportorganisation, deren Träger der zweitgrößte Schweinezuchtbetrieb in der DDR war. Betriebschef Rösch war Pferdesportenthusiast und holte viele TOP-Leute nach Schlaitz. So 1987 auch Holger Wulschner. Hier traf er erstmals auf den Halbblüter Missouri (v. Mistral II), der eine besondere Rolle in seiner Karriere einnehmen sollte. Weitere Pferde mit denen er fortan auf allen großen Turnieren in der DDR und im „sozialistischen Ausland“ Erfolge feierte waren Idealist, Jubilar, Distrikt und Alco.

Mit 25 Jahren wurde er 1989 in den nationalen B-Kader der DDR aufgenommen. Im gleichen Jahr siegte er mit Missouri im Großen Preis beim CSA Löbnitz. 1990 kamen erste Einsätze bei Nationenpreisen hinzu, so z.B. beim stark besetzten CSIO in Bratislava/Slowakei mit starken Westnationen, wo das DDR-Team Fünfter wurde und Holger Wulschner mit Missouri Zehnter im Großen Preis. Bei den letzten DDR-Meisterschaften in Salzwedel gab es für ihn mit Missouri die Bronzemedaille.

Beim Turnier 1990 in Jüterbog, wo sich Holger Wulschner mit Missouri bestens präsentierte, wuchs die Begehrlichkeit für den Mistral II-Sohn. © Ludenia

Beim Turnier 1990 in Jüterbog, wo sich Holger Wulschner mit Missouri bestens präsentierte, wuchs die Begehrlichkeit für den Mistral II-Sohn. © Ludenia

Der Wechsel nach Passin in Mecklenburg

1991 kam Holger Wulschner auf Betreiben von Heinz Schulenburg nach Passin. Er willigte dazu ein, zumal seine 1. Frau Iris aus Mecklenburg stammte, und weil sein Spitzenpferd Missouri mit gehen konnte. Dieser musste wegen wirtschaftlicher Schieflage der ZBE Schlaitz (sinkender Schweinepreise) verkauft werden. Nach dem guten Abschneiden von Wulschner mit Missouri beim Weltcupturnier 1990 in der Berliner Deutschlandhalle gab es ein Millionenangebot. Das Ehepaars Renate & Herbert Herzog aus Berlin traten in Verbindung mit Heinz Schulenburg auf den Plan, die gerade den Reiterhof Passin erworben hatten. Sie kauften die besten Pferde die Holger ritt, und so wechselte Holger Wulschner mit Familie und seinen Pferde nach Passin.

1991 musste sich der Münsteraner Hubert Vornholt dem Neu-Passiner Holger Wulschner mit Missouri in einem 1,50m Springen beim Turnier in Jüterbog geschlagen geben. © Ludenia

1991 musste sich der Münsteraner Hubert Vornholt dem Neu-Passiner Holger Wulschner mit Missouri in einem 1,50m Springen beim Turnier in Jüterbog geschlagen geben. © Ludenia

Gesamtbilanz der Erfolge von Holger Wulschner seit 1990

(aus der Zeit davor gibt es keine detaillierten Aufzeichnungen)

Von 1990, seit es nur noch eine gemeinsame deutsche FN gibt und die Erfolge digital erfasst wurden, bis November 2023 kommt Holger Wulschner auf insgesamt 5.201 Platzierungen. Rechnet man seine 15 aktiven Jahre vor 1990 in der DDR mit 50 Platzierungen je Jahr hinzu, was 750 ergibt, so kommt der Sieger des Deutschen Springderbys von 2000 auf etwa 5.950 Platzierungen. Seine Karriere hat er mit 60 Jahren aber noch nicht beendet, so dass weitere Erfolge hinzukommen werden, Gesundheit vorausgesetzt. Wenngleich er seine Turnierteilnahmen auch etwas reduziert hat. Holger konnte von 1990 bis heute 803 Springen gewinnen, darunter 299 in der schweren Klasse S. Betrachtet man die Zahl von 2.891 Platzierungen allein in der schweren Klasse, dann wird seine großartige Sportkarriere besonders deutlich.

Mit dem Calato-Sohn Clausen gewann Holger Wulschner 2008 den Fünf-Sterne Grand Prix und den Nationenpreis in Hickstead. © Archiv Wego

Mit dem Calato-Sohn Clausen gewann Holger Wulschner 2008 den Fünf-Sterne Grand Prix und den Nationenpreis in Hickstead. © Archiv Wego

Nachdem er sich 1999 in Verden mit Capriol die Silbermedaille bei der Deutschen Meisterschaft holte, wurde Holger Wulschner im Jahre 2000 mit dem Hengst erster ostdeutscher Sieger des Deutschen Springderbys in Hamburg. Das Derby hatte für ihn in jüngeren Jahren immer einen besonderen Reiz. Deshalb baute er sich in Passin und 2004 auch in seiner neuen und aktuellen Wirkungsstätte Groß Viegeln, wo er sich im Herbst 2003 selbstständig gemacht hat, einen eigenen Derby-Kurs.

Zu seinen bedeutendsten Erfolgen zählen auch die Siege bei den Großen Preisen z.B. von Hickstead, Linz, Hamburg, Rotterdam, Nörten-Hardenberg, Oliva, Mechelen, Neumünster, Hagen, Neustadt-Dosse, Gera, Tschernjachowsk, Mannheim und Herning. In Aachen gewann Holger Wulschner 2008 den Preis von Europa. Im November 2014 wurde Holger Wulschner als Gesamtsieger der Riders Tour erstmals „Rider of the year“. 135 Mal hat er bei nationalen und internationalen Großen Preisen mit Platzierungen im Sattel gesessen. 16 dieser Springen konnte er gewinnen. Holger Wulschner war 56 Mal Mitglied einer deutschen Nationenpreismannschaft die sich platzierte, und hat 13 Nationenpreise gewonnen. Nationenpreissiege gab es für ihn unter anderem in Sopot, Rotterdam, Lummen, Calgary, Hickstead und Dublin. Auf einigen Plätzen mehrfach.

Zu Beginn der Laufbahn seines Sohnes war Vater Wilfried Wulschner noch skeptisch. Später war er stolz, sammelte alle Pressemeldungen und unterstützte ihn bei den Turnieren in Gr. Viegeln. © Jutta Wego

Zu Beginn der Laufbahn seines Sohnes war Vater Wilfried Wulschner noch skeptisch. Später war er stolz, sammelte alle Pressemeldungen und unterstützte ihn bei den Turnieren in Gr. Viegeln. © Jutta Wego

Wohlwissend, dass Reiter davon abhängig sind, dass es Vereine und Personen gibt die Reitturniere veranstalten, hat sich Holger Wulschner auch als Veranstalter zahlreicher Turniere längst einen Namen gemacht. Auf seiner Pachtanlage in Groß Viegeln, die er zusammen mit seinem inzwischen verstorbenen Erbauer Wolfgang Grieger zu einer der renommiertesten in ganz Deutschland entwickelte, hat Holger Wulschner bei internationalen Turnieren bis zur Vier-Sterne-Klasse von 2013 bis 2021 die erfolgreichsten Springreiter aus Deutschland und Europa versammelt. 2018 gewann er dabei mit Skipper selbst den Großen Preis.

Aber auch die Förderung und Entwicklung der reiterlichen Jugend liegt ihm am Herzen. Das ist nicht nur an seinem 34-jährigen Sohn Benjamin zu erkennen, der seit einigen Jahren zu den TOP-15 Reitern in Deutschland gehört. Seine aktuellen Aktivitäten als Veranstalter sind trotz mancher Enttäuschungen, hervorgerufen durch Vandalismus und anderer Vorkommnisse, vorwiegend Nachwuchsreitern und jungen Pferden gewidmet. Bei seinen Reiterkollegen gilt er als besonders ordentlich. Markus Beerbaum sagte bei einem Dank an ihn und seine Frau Astrid bei einem internationalen Turnier mal: „Wenn man wissen will wo der Pferdetransporter von Holger Wulschner steht, braucht man nur auf die Sauberkeit rundherum zu achten, denn auf Sauberkeit ist er besonders bedacht.“

Mit Stephan Unterlandstettner von der DKB hat Holger Wulschner einen Freund und starken Sponsorenpartner, dem er 2018 mit dem Sieg im Großen Preis der Deutschen Kreditbank auf Skipper einiges zurückgeben konnte. © Jutta Wego

Mit Stephan Unterlandstettner von der DKB hat Holger Wulschner einen Freund und starken Sponsorenpartner, dem er 2018 mit dem Sieg im Großen Preis der Deutschen Kreditbank auf Skipper einiges zurückgeben konnte. © Jutta Wego

Sein Verantwortungsbewusstsein, seine Achtung den Pferden gegenüber und sein Engagement für die Allgemeinheit neben der eigenen Karriere, blieben auch den führenden Vertretern der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN) und seiner Anschlussverbände nicht verborgen, die ihn 2021 zur Mitarbeit im Vorstand des DOKR gewinnen konnten, wo er als Aktivensprecher das Sprachrohr für die 664.919 Mitglieder in den 7.278 deutschen Reitvereinen ist. Dem Hengst der früheren Deckstation in Passin folgt sein Boxennachbar Prinz Oldenburg (v. Picasso / Pik Bube I)

Die erfolgreichsten Pferde von Holger Wulschner

Seine 5.200 Platzierungen die seit 1990 von der FN erfasst sind, hat Holger Wulschner mit 295 verschiedenen Pferden erzielt. Eine gewaltige Zahl. Am erfolgreichsten war er mit seinem Derby-Siegerhengst Capriol (v. Capitol I / Ladykiller xx). 194 Platzierungen stehen für Wulschner mit dem Hengst zu Buche. Vor ihm, saßen schon Horst Lösche und 6 weitere Reiter im Sattel von Capriol, der es bis Mai 2003 auf insgesamt 230 Platzierungen gebracht hat, darunter 45 Siege. Dem Hengst der einstigen Station Passin folgt in der Erfolgsstatistik sein Boxennachbar Prinz Oldenburg (v. Picasso / Pik Bube I) mit dem Holger Wulschner 141 Schleifen sammelte, darunter 36 goldene. Der bedeutendste Erfolg des Paares war 1998 der Sieg im Großen Preis von Hamburg.

Mit dem Casall-Sohn BSC Cha Cha Cha gewann Holger Wulschner 2017 das Vier-Sterne-Springen bei den Deutschen Meisterschaften in Balve. © Archiv Wego

Mit dem Casall-Sohn BSC Cha Cha Cha gewann Holger Wulschner 2017 das Vier-Sterne-Springen bei den Deutschen Meisterschaften in Balve. © Archiv Wego

Mit 133 Platzierungen folgt Missouri. Bei dem Mistral II-Sohn fehlen allerdings noch Erfolge aus seiner Zeit vor 1990. Ein sehr leistungsstarkes Pferd war auch der Calato / Corleone-Sohn Clausen, der 132 Mal mit Wulschner in den Platzierungslisten steht. Zu den bedeutendsten Erfolgen des Paares gehört 2008 der Sieg im Fünf-Sterne Grand Prix von Hickstead und der Nationenpreissieg beim selben Turnier. Die Platzierungsmarke von 100 erreichten mit Holger Wulschner auch mit Mister/121 (v. Mistral II), BSC Cavity/114 (v. Caretino), Komtess/105 (v. Kolibri), Azarro/100 (v. Argentinus) und Salieri/100 (v. Salvano). Mit 31 Pferden hatte er 50 und mehr Platzierungen.

Wir sind beeindruckt von der Erfolgsbilanz, gratulieren zum Geburtstag, wünschen Gesundheit, sagen Danke und geben der Hoffnung Ausdruck, dass die Aktivitäten von Holger Wulschner noch lange anhalten mögen. (fw)

Im Sattel zuletzt etwas kürzergetreten, hat Holger Wulschner im Hengst Diamant de Plaisir (v. Diamant de Semilly) wieder ein Championatspferd mit dem er im Herbst den Großen Drei-Sterne-Preis in Chemnitz gewann. © KaLo

Im Sattel zuletzt etwas kürzergetreten, hat Holger Wulschner im Hengst Diamant de Plaisir (v. Diamant de Semilly) wieder ein Championatspferd mit dem er im Herbst den Großen Drei-Sterne-Preis in Chemnitz gewann. © KaLo

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