Historie: Zentrale Hengstkörung der DDR 1964 in Güstrow

Erschienen am 05.08.2020

In loser Folge wollen wir mit historischen Beiträgen, Turnierergebnissen und Fotos an die Zeit des Pferdesports vor 1990 erinnern. Heute ein Beitrag von Joachim Gusovius, der in Heft 1 von 1965 eine Zuchtkritik zur zentralen Hengstkörung 1964 in Güstrow geschrieben hat.

Joachim Gusovius bei einer Landeselitestutenschau in Mühlengeez als Mitglied der Bewertungskommission. Foto: Jutta Wego

Joachim Gusovius bei einer Landeselitestutenschau in Mühlengeez als Mitglied der Bewertungskommission. Foto: Jutta Wego

Näheres über den Autor
Im Rahmen einer Trakehnerhengstkörung in Neumünster wurde Joachim Gusovius mit dem Dietrich v. Lenski-Kattenau-Gedächtnispreis ausgezeichnet. Joachim Gusovius ist ostpreußischer Herkunft. Bis zu seinem 12. Lebensjahr lernte er Ostpreußen kennen und lieben.
Nach Flucht und Lehre in Branitz bei Cottbus absolvierte Joachim Gusovius 1952 eine Ausbildung im Institut für Tierzuchtforschung Dummerstorf bei Rostock. Dort wirkte er in der Abteilung Pferdezucht und war aktiver Reiter, u.a. auf dem Trakehnerhengst ALBATSOHN v. Albatros.Bis 1964 umfasste der Stutenbestand in Dummerstorf im Durchschnitt 15 Zuchtstuten. Aus dieser Zucht gingen die Olympia-Pferde MOHAMET v. Albatros und INGWER v. Ingwer hervor. 1964 wechselten die Trakehner Pferde aus Dummerstorf in das Gestüt Ganschow.
Joachim Gusovius wurde 1971 Zuchtleiter im Hauptgestüt Graditz. Nach der Tierzuchtleiterprüfung wurde er Leiter des Trabergestütes Prieros. Dieses Gestüt wurde 1995 privatisiert und zugleich endete die berufliche Laufbahn von Joachim Gusovius. Nach der Wiedervereinigung wurde er zum Vorsitzenden des Trakehner-Zuchtbezirks Neue Bundesländer/Berlin gewählt. Als heimattreuer Ostpreuße hat sich Joachim Gusovius auf vielen Trakehner Veranstaltungen überzeugt für die Traditionspflege, deren Weitergabe und Erhalt eingesetzt, immer auch mit Unterstützung seiner Ehefrau Anne-Rose, die das nach seinem Tod fortsetzte.

Hengstkörung im Jahre 1964 in Güstrow

(1964 von Joachim Gusovius, Dummerstorf, geschrieben)

Nun schon traditionsgemäß fand für 1964 die „Zentrale Hengst-Hauptkörung für Edles Warmblut" am 12. und 13. November wieder in Güstrow statt. Die gesamte Vorbereitung, und Organisation lag wie üblich in den bewährten Händen der zuständigen Mitarbeiter der Tierzuchtinspektion Schwerin und der Handelsstelle Güstrow. Als besondere Verbesserung gegenüber den Vorjahren wurde von dem zahlreich erschienenen und sehr interessierten Publikum die Verlegung des Vorführringes auf den in der Nähe der Stallungen gelegenen Sportplatz aufgenommen. Günstige Ausmaße des Dreieckes und angenehm weicher Rasenboden sind nun einmal entscheidende Faktoren bei einer sachgemäß richtigen Vorstellung und Vorführung von Junghengsten. Mit herrlichen Trabaktionen dankten die Hengstanwärter dafür, wobei besonders die 3 vom Lehr- und Versuchsgut Radegast vorgestellten Viertelvollblüter durch ihre wunderschönen Bewegungen die Zuschauer begeisterten.

Von den 42 im Katalog gemeldeten Junghengsten wurden 39 der Kör- und Prämiierungskommission vorgestellt. Die Kommission stand unter dem Vorsitz des Generaldirektors der VVB Tierzucht der DDR, Herrn Dr. Löffelbein.

Es wurden 16 Hengste gekört und 23 Hengste nicht gekört. Zur besseren Übersicht wird dem Text einiges Zahlen­material beigefügt.

Körklasseneinteilung:
Ib     3 Hengste
Ila     2 Hengste
IIb    4 Hengste
Illa    4 Hengste
Illb    3 Hengste

Als Siegerhengst wurde die Kat.-Nr. 4, ein Albatsohn Nachkomme aus der Friesenjette v. Friesenstolz von der Kör- und Prämiierungskommission herausgestellt, Züchter Institut für Tierzuchtforschung Dummerstorf bei Rostock. Er wurde lb gekört, erhielt einen la Preis und brachte dem Züchter 12.000 MDN. Ein sehr gelungenes Produkt der Anpaarung eines Hengstes Trakehner Abstammung mit einer Mecklenburger Stute. Der Hengst war groß genug, vereinigte den Ausdruck und Adel des Vaters mit der Rumpfigkeit der Mutter sehr gut und verfügte über sehr raumgreifende Gänge. Er wurde an das Staatliche Hengstdepot Redefin verkauft.

Auf Platz 2 folgte dann die Kat.-Nr. 7, vorgestellt vom Lehr- und Versuchsgut Radegast bei Köthen. Väterlicherseits über Julier mit 25% englischen Vollblutanteil und mütterlicherseits aus der Demut v. Demant, rein auf hannoverscher Grundlage gezogen, bringt dieser Fuchshengst die allerbesten Voraussetzungen zur Zucht von Sportpferden mit. Er zeigte großartige Gänge, könnte aber vielleicht in der Haltung etwas ausdrucksvoller sein. Der Hengst wurde lb gekört, erhielt einen Ib Preis und ging für 11.500 MDN an das VE Hengstdepot Neustadt/ Dosse.

Mit dem gleichen Erlös von 11.500 MDN ging an dritter Stelle die Kat.-Nr. 19. Ein großrahmiger, eleganter Dunkel­brauner, gezogen und vorgestellt vom VEG Voigtsdorf/Zarnekow, Kreis Grimmen. Ein rein mecklenburgisches Produkt von Attila aus der Figolda v. Fidel. Er wurde ebenfalls Ib gekört und erhielt einen Ic Preis. Ein Hengst mit sehr viel Ausdruck, dem noch etwas mehr Schwung in der Bewegung zu wünschen wäre. Das VE Hengstdepot Redefin ist der neue Besitzer.

Die erzielten Preise der gekörten Hengste:
1 Hengstanwärter 12.000 MDN
2 Hengstanwärter 11.500 MDN
2 Hengstanwärter 10.500 MDN
1 Hengstanwärter 10.000 MDN
1 Hengstanwärter   9.000 MDN
2 Hengstanwärter   8.100 MDN
1 Hengstanwärter   8.000 MDN
3 Hengstanwärter   7.500 MDN
1 Hengstanwärter   6.500 MDN
2 Hengstanwärter   6.000 MDN

Die Maße der gekörten Hengste betrugen:
Widerristhöhe 162 cm (v. 159 bis 166 cm) Röhrbein 21,7 cm (v. 20 bis 23 cm) Brustumfang 191 cm (v. 186 bis 198 cm). Bemerkenswert ist die blutmäßige Zusammensetzung der gekörten Junghengste. Mit rund 31% nahmen die Hengste mit Spezialblut in diesem Jahr einen ganz beachtlichen Anteil ein, was zweifellos aus dem vermehrten Bestreben der Zuchtleitungen nach der Züchtung von leistungsstärkeren Sportpferden her resultiert.

Abstammungsübersicht:
Hann./Mecklbg. Brandbg.    32     11     21
25% engl. Vollblut x Hann.   3       2       1
Trak. x Mecklbg.                  2       2        -
Trak.                                  2       1       1
                                        39     16     23

Väter mit 2 und mehr Söhnen:
Attila, Mecklbg.                     3       2       1
Julier, Hann.                          3       2       1
Albatsohn, Trak. Abst.           2       2       -
Minnesänger, Brandbg.           2       1       1
Fanatiker, Hann.                     2       1       1
Anilin, Mecklbg.                      2       1       1
Cortez, Trak. Abst.                2       1       1

Leider war auch bei dieser Körung die Fuchsfarbe wieder sehr vorherrschend, wobei viele Junghengste recht bunt und manche sogar hässlich gezeichnet waren. Vielleicht sollten die Aufzüchter bei der Auswahl der Hengstanwärter in Zukunft doch etwas mehr auf diese unschönen Begleiterscheinungen, speziell bei der Fuchsfarbe, achten und in dieser Beziehung etwas strenger selektieren.

Farbübersicht:
Füchse                                   23     10     13
braune                                    9       2       7
dunkelbraune                           4       3       1
Schimmel                                 2       -       2
Rappen                                    1       1       -

Bedauerlicherweise wurden nur 1 Rappe und 2 Schimmel vorgestellt, wobei die beiden Schimmel wegen körperlicher Mängel nicht gekört werden konnten. Gerade aber diese Farbe ist wegen ihrer Auffälligkeit unter den Züchtern und Pferdesportlern sehr beliebt und müsste vielleicht von den Zuchtleitungen etwas mehr gefördert werden.

Von den insgesamt 39 vorgestellten Junghengsten fielen allein auf die 3 zur Zeit bedeutendsten Pferdezuchtbetriebe der DDR, das VEG Voigtsdorf/Zarnekow, das Lehr- und Versuchsgut Radegast und das VE-Hauptgestüt Neustadt/Dosse 17 Hengste, während sich die restlichen 22 Junghengste auf 12 weitere Betriebe verteilten.

Von den gekörten Hengstanwärtern kaufte das VE Hengstdepot Redefin 10 und das VE Hengstdepot Neustadt/ Dosse 6 Hengste. Erfreulicherweise verlief der Absatz der nicht gekörten Anwärter für die Züchter ebenfalls sehr erfolgreich. Bis auf einen Hengst, der in den eigenen Stall zurückging, wurden alle verkauft. Die 3 nun schon weit über die Grenzen der DDR hinaus bekannten Reitpferdeverkaufsställe Redefin mit 9, Neustadt mit 6 und Ganschow mit 5 Hengsten teilten sich den Löwenanteil, während der ASK Vorwärts Berlin und das VEG Bretsch je einen Junghengst übernahmen. Der Durchschnittspreis für diese 2½ -jährigen nicht gekörten Hengstanwärter betrug 2.777 MDN. Die sich am Nachmittag anschließende Züchtertagung wurde im Wesentlichen durch den Vortrag von Herrn Dr. Löffelbein und der sehr eindrucksvollen Zuchtkritik von Herrn Prof. Dr. Schönmuth ausgefüllt. Daran anschließend wurden die erfolgreichsten Zuchtbetriebe mit beachtlichen Sachpreisen ausgezeichnet und bewährte Fohlenmeister prämiiert. Ansporn sollte allen Züchtern ein zum ersten Mal gestifteter und vergebener Sonderehrenpreis für den besten Vorführer sein.

 

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