Historie: Ein Wort zum Reitanzug

Erschienen am 04.06.2020

Pferdesport im Osten Deutschlands vor der Wiedervereinigung.

In loser Folge wollen wir mit historischen Beiträgen, Turnierergebnissen und Fotos an die Zeit des Pferdesports vor 1990 erinnern.

Heute ein Beitrag von Erich Oese aus aus der DDR-Fachzeitschrift "Pferde und Sport" Ausgabe 9/1963. Erich Oese, der 2012 im Alter von 85 starb, wurde in Redeberg geboren und war nach den II. Weltkrieg hauptberuflich als Englisch-Dolmetscher und Russisch-Lehrer tätig. 1951 folgte er dem Ruf der neu gegründeten Pferdesportorganisation der DDR aus Berlin und wwar seit dem Mitglied im Präsidium des Deutschen Pferdesportverbandes (DPV) der DDR. Er hatte im Laufe der Jahrzehnte viele Funktionen und Aufgaben. So war er beispielsweise zu Beginn Nachwuchstrainer, später Leiter des Wissenschaftlichen Zentrums und zuletzt als Geschäftsführer des DPV tätig. Auch als Autor mehrerer Fachbücher, verdankt ihm der DDR Pferdesport sehr viel. Wie der folgende Beitrag verdeutlicht, war ihm die Estetik des Pferdesports und das korrekte Auftreten der Reiter in der Öffentlichkeit ein wichtiges Anliegen.

Heute:

Einige Worte zum Reitanzug

Auf vielen, besonders den kleinen Turnieren macht sich gegenwärtig eine eigentümliche Erscheinung bemerkbar: rege Phantasie der Teilnehmer in Bezug auf den Reitanzug.

Es scheint daher an der Zeit, gerade jetzt ein paar Sätze zu diesem Thema zu sagen, damit spätestens bei Beginn der Turniersaison 1964 alle Mängel in dieser Hinsicht beseitigt werden können. Im § 10 der LPO ist ausführlich dargelegt, wie der korrekte Reitanzug, der für alle Prüfungen obligatorisch ist, auszusehen hat.

Unlängst tauchten bei einem Turnier Reiter einer ländlichen Sektion in funkelnagelneuen, kaffeebraunen Reitröcken und beigefarbenen Hosen auf, von der Farbe her eine gelungene Zusammenstellung. Die Turnierleitung musste ihnen sagen, dass ihr Anzug nicht den gültigen Vorschriften entspricht, weil für den Zuständigkeitsbereich des Deutschen Pferdesport-Verbandes schwarzer Rock und weiße Hose als korrekter Reitanzug festgelegt worden sind. Wieviel Ärger und Kosten hätten sich die Sportfreunde ersparen können, wenn sie einmal in die LPO geschaut hätten. Da die weißen Reithosen im allgemeinen leicht schmutzen (aber auch natürlich leicht gewaschen werden können), dürfen die Sportfreunde, die nicht mehrere weiße Reithosen besitzen, an den Vormittagen (außer in Dressurprüfungen) wie auch am ersten Tag einer Pferdeleistungsschau in andersfarbigen Hosen reiten, die aber immer heller sein sollen als der schwarze Reitrock. Im Übrigen ist die weiße Leinenreithose sehr praktisch, einmal weil sie das Bild des Reitersitzes deutlicher macht und zum anderen, weil Leinenreithosen leichter gewaschen werden können als Stoffreithosen.

Einiges muss auch über die Krawatten gesagt werden. Nicht nur, dass endlich einmal die wehenden weißen Schlipse mancher Schaureiter bekämpft werden sollten (die Richter dürfen solche Reiter nicht starten lassen, bevor sie den Schlips befestigt haben), es gibt gerade in dieser Beziehung eine große Vielfalt von Verstößen gegen die Anzugsord­nung. Obwohl für alle Prüfungen die weiße Krawatte vorgeschrieben ist (die man übrigens leicht selber herstellen kann) oder der Plastron, finden wir neuerdings in Einzelfällen schwarze und sogar bunte Schlipse, Fliegen, Lincoln-Schleifen u.ä. völlig unpassende Halsbekleidungen. Diese Ausartungen müssen schnellstens beseitigt werden, wobei besonders Ausbilder und Richter zusammenarbeiten sollten. Das andere, glücklicherweise ebenso selten auftauchende Extrem ist der Verzicht auf jegliche Krawatte, ein Fehler, der leider sogar bei einer unserer profiliertesten Reiterinnen zu beobachten ist und dem schnellstens abgeholfen werden muss, zumal der korrekte Anzug nicht nur über das Bild des Reiters entscheidet, sondern auch Schlüsse auf seine Ordnungsliebe zulässt. Die Richter werden auch hierbei ihrer erzieherischen Funktion mehr als bisher gerecht werden müssen, was allerdings voraussetzt, dass auch sie ständig im vollständigen Anzug erscheinen und nicht - etwa bei großer Hitze - für sich Erleichterungen in Anspruch nehmen, die weder den Reitern, noch den Richtern im Interesse des Gesamtansehens des Pferdesports zugebilligt werden können.

Da eben von großer Hitze die Rede war, so sei hier noch eingefügt, dass eine Richtergruppe bzw. der Chefrichter in einem solchen Falle den Springreitern Erleichterungen während der Besichtigung der Springbahnen gestatten kann. In diesem Falle wird die Reitkappe abgenommen und in der linken Hand gehalten, während der Reitrock ordentlich zusammengelegt über dem angewinkelten linken Unterarm, getragen wird. Wenn solche Erleichterungen bekanntgemacht werden, sind sie von allen Springreitern, die den Parcours betreten, in Anspruch zu nehmen. Es wirkt allerdings mehr als hässlich, wenn die Springreiter mit sichtbaren Hosenträgern auf dem Springplatz umherwandeln. Reithemden - die übrigens weiß sein müssen (bunte sind ganz unmöglich) - sollen daher gesäumte Löcher besitzen, durch welche die Strippen der Hosenträger geführt werden, wenn nicht auf diese ganz verzichtet werden kann. Nicht nur die Korrektheit des Reitanzuges, besonders auch dessen Sauberkeit lassen Schlüsse auf den Träger zu. Richter wie auch Publikum wissen genau zu unterscheiden, ob Nachlässigkeit vorliegt oder nicht. Wenn jedenfalls ein Jugendreiter zur Juniorenprüfung in ungeputzten Stiefeln erscheint (was natürlich in gleicher Weise für den ganzen Anzug wie auch für die Ausrüstung des Pferdes einschl. der Steigbügel gilt), so setze man ihn ruhig in der Starterliste zurück und gebe ihm Zeit, seine Sachen in Ordnung zu bringen.

Eine wichtige Bemerkung noch zur Kopfbedeckung. Zwar macht die LPO eine gewisse Widerstandsfähigkeit der Kopfbedeckung zur Bedingung, aber mit der Verwirklichung sieht es noch trübe aus. Es muss aber endlich eine Firma gefunden werden, die vorschriftsmäßige, harte Reitkappen herstellt. Darum sollte sich das Präsidium im Interesse der Gesundheit der Reiter wirklich einmal kümmern.

Der Sturzhelm bzw. Bänderschutz ist in der LPO nur für Geländeritte Kl. L und höher obligatorisch gefordert. Einige Unfälle, wenn auch ohne schwere, Folgen, die in diesem Jahr passiert sind, lassen jedoch eine Ausdehnung dieser Bestimmung auf die Geländeritte Kl. A wünschenswert erscheinen, zumal die erforderlichen Kopfschutzbedeckungen überall erhältlich sind.

Auf eine weitere Unregelmäßigkeit in der Bekleidung der Reiter wollen wir noch hinweisen, wenn diese auch keinen Nachteil für den Reiter bringt. Das Emblem der Grundorganisation gehört beiderseitig in die hinteren, unteren Ecken der Satteldecken, keinesfalls aber auf den Rock des Reiters. Diese Anordnung entspricht dem traditionellen Gebrauch im Pferdesport und den internationalen Gepflogenheiten. Besonders selten findet man darüber hinaus, dass Gespanne die Zugehörigkeit des Fahrers zu einer Sportgemeinschaft in der richtigen Weise, nämlich durch Wimpel zu beiden Seiten des Bockes, kundtun.

Die Frage des Tragens von Handschuhen war lange Zeit Gegenstand heftiger Diskussionen. Im Laufe der Jahre haben sich die Standpunkte geklärt. Während die Dressurreiter meist Handschuhe auch während des Einzelreitens tragen, verzichtet ein großer Teil der Springreiter darauf. Grundsätzlich gehören die Handschuhe jedoch zum korrekten Reitanzug, deshalb sind sie auch z.B. bei reiterlichen Zeremonien, Aufmärschen u. ä. obligatorisch. Bedauerlicherweise muss man feststellen, dass auch die Sportklubs (gemeint sind die Sportclubs ASK und Dynamo Berlin, sowie Halle Kreuz) in dieser Hinsicht nicht immer Vorbild gewesen sind, was sich nun hoffentlich für immer ändern wird.

Abschließend sei noch die Bestimmung erwähnt, nach der Reiter in unkorrektem oder nachlässigem Anzug von den Prüfungen ausgeschlossen werden können. Diese Bestimmung hat einen erzieherischen Sinn, der, von den Rich­tergruppen, Chefrichtern und Turnierleitern richtig ausgelegt, das äußere Bild unserer Pferdeleistungsschauen bessern helfen kann. (Erich Oese in „Pferd und Sport“ der DDR Ausgabe 9/1963)

 

 

Warenkorb

Sie haben 0 Artikel in Ihrem Warenkorb

Warenkorbwert: 0,00€