Rechtsprechung: Unfall in der Führanlage
Erschienen am 12.01.2014
Sehr viele Pferde-Pensionsbetriebe bieten für die eingestellten Pferde eine Bewegungsmöglichkeit in Führanlagen an. Dass die Benutzung nicht ganz risikolos ist, weiß letztlich jeder Pferdehalter. Kommt es allerdings zu einer Verletzung des eingestellten Pferdes, sieht sich der Stallinhaber Schadensersatzansprüchen ausgesetzt.
Die Verkehrssicherungspflicht
Den Inhaber eines Pferde-Pensionsstalles trifft grundsätzlich die Verpflichtung, jeden vermeidbaren Schaden vom eingestellten Pferd fernzuhalten. Das ergibt sich aus der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht.
Wenn der Stallinhaber für die eingestellten Pferde die Nutzung einer Führanlage anbietet, muss die technisch so gestaltet sein, dass Verletzungen der Pferde - möglichst vermieden werden. Eine absolute Sicherheit wird insoweit nicht verlangt, kann auch nicht garantiert werden. Andererseits hat der Stallinhaber dafür Sorge zu tragen, dass vermeidbare Gefahrenquellen gemieden werden.
In einem aktuell entschiedenen Rechtsstreit war ein Pensionspferd in ein Trennelement der Führanlage geraten. Auf einer Höhe von etwa 1,3 m befanden sich im oberen Teil des Elementes Gitterstäbe in einem Abstand von 14 cm. Das Pferd des Klägers hatte mit einem Hinterbein ausgeschlagen, blieb dann in dem Trennelement hängen, geriet in Panik und hat sich Verletzungen zugezogen.
Die Meinung des Sachverständigen
Der vom Gericht eingeschaltete Sachverständige meinte, dass die "Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltung unter Tierschutzgesichtspunkten" auf die Gestaltung einer Führanlage entsprechend anzuwenden seien. Eine Führanlage müsse so gestaltet sein, dass sich Pferde nicht festklemmen könnten. Das gelte insbesondere für Trenngitter. Wesentlich sei, dass entweder die Abstände so gering seien, dass mit dem Huf nicht hindurchgeschlagen werden könne oder aber so weit, dass das Pferd die Gliedmaße wieder zurückziehen könne. Bei der zu beurteilenden Führanlage hatten die Stäbe einen lichten Abstand von ca. 14 cm. Das wurde von dem Gutachter beanstandet. Stababstände mit 6 bis 30 cm seien risikobehaftet, so seine Meinung. Ein Pferd könne bei einem Abstand von 14 cm durch die Stäbe hindurch treten und dann beim Herabsinken des Hufes an der unteren Leiste des Trenngitters hängenbleiben. Dieses Risiko sei für den Stailinhaber auch erkennbar.
Die Verkehrssicherungspflicht
Derjenige, der durch den Betrieb einer Anlage eine "Gefahrenlage" schafft, hat grundsätzlich die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer zu verhindern. Zwar muss er nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen. Haftungsbegründend wird eine Gefahr dann, wenn sich für eine sachkundige Person die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass es zu einem Schadenseintritt kommt. Ausreichend und erforderlich ist es nach der Rechtsprechung, "die Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um fremde Rechtsgüter vor Schaden zu bewahren".
In dem entschiedenen Fall hat das Gericht eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht angenommen und daher den Stallinhaber zur Schadensersatzleistung verurteilt. Das an der Führanlage angebrachte Schild "Benutzung auf eigene Gefahr" war nach Auffassung des Gerichts nicht geeignet, die Haftung in Frage zu stellen.
Die Tiergefahr
In dem Schadensereignis hat sich durch das Ausschlagen die von dem geschädigten Pferd ausgehende Tiergefahr realisiert. Dieser Umstand ist haftungsrechtlich von Bedeutung:
Die Schadensersatzansprüche des Pferdehalters werden um einen Anteil gekürzt, der dem Gewicht entspricht, mit welchem die Tiergefahr in dem Schadensereignis ausgewirkt hat. In dem konkreten Fall wurde die Tiergefahr mit 1/5 berücksichtigt.
Fazit
Im gesetzlich zulässigen Umfang sollte der Stallinhaber, der eine Führanlage anbietet, seine Haftung begrenzen. Gleichzeitig aber muss er dafür Sorge tragen, dass die Führanlage größtmögliche Sicherheit bietet und dem zumutbaren Standard entspricht
Dr. Dietrich Plewa