Mecklenburger Pferdezuchtgeschichte (2)

Erschienen am 19.01.2012

Den Ursprüngen, über den Beginn einer gelenkten Zucht, bis zur Blütezeit des Mecklenburgers geht Horst Gründel in einer Beitragsserie nach (2. Teil)

(geben Sie Mecklenburger Pferdegeschichte in unserer Suche ein, dann finden Sie den 1. Teil)

[…]

Die eigentliche, später in ganz Europa berühmte, alte mecklenburgische Rasse entstand unter Herzog Johann Albrecht I. (1547/52-1576). Die Reihe der geförderten Zuchtstätten ist lang, einige reichen bis in die heutige Zeit: An der Spitze liest man Ivenack, Doberan (mit Bollhagen und Satow), Dömitz, Medow, Neuhof (bei Gadebusch), Redentin, Rehna, Tempzin (mit Blankenberg und Häven).

Hauptlandgestüt wurde das nach 1500 errichtete Settin (bei Crivitz) mit einer Filiale in Kobande und einem Füllenstall in Neustadt-Glewe. In diesen Betrieben züchtete man vorwiegend mit importierten Zuchtpferden ("ungarische, welsche, Wiedenhäger Wilde, deutsche Wilde und friesische Stuten") sowie Hengste aus allen Gebieten West- und Südeuropas. Lisch druckt eine Liste von 253 Pferden ab, die einem Verzeichnis aus dem Jahr 1569 entspricht, wobei interessanterweise auch ein "Moderwahle nach dem Türcken", das heißt ein Stutfohlen von einem türkischen Hengst auftaucht.

Der Dreißigjährige Krieg führte zur Vernichtung der ursprünglichen mecklenburgischen Pferderasse. Um den Wiederaufbau bemühte sich Herzog Gustav Adolf von Mecklenburg-Güstrow von 1654-1695). Wichtige Gestüte wurden wieder aufgebaut oder neu gegründet. 1666 werden erwähnt: Güstrow, Dargun (für Passgänger), Stavenhagen und Ivenack (für Klepper), Feldberg und Strelitz (für Falben), Schwaan (für Schimmel), Goldberg und Plau (für Rappen).

Vielfach unbeachtet blieb, dass Herzog Gustav Adolf hundert Jahre vor den Engländern eine bahnbrechende Neuerung einführte: ein Gestütbuch, das sich heute als besondere Kostbarkeit im Staatsarchiv Schwerin befindet. In den Eintragungen von 1662 bis 1676 findet man alle Zuchthengste mit Name, Herkunft, Alter und Deckleistung.

Lisch nennt sieben Hengste, darunter ein "Hengst, Mignon genannt, ein Apfelschimmel, ein geborenes englisches Pferd, welches der König von Schweden aus England erhalten hatte und durch Zwischenhandel für hundert Ducaten nach Mecklenburg verkauft, im Jahr 1663 aber dem Obersten v. Wrangel geschenkt ward und "ein Hengst, der Gottorfer genannt, ein schwarzer, von einem persischen Pferde gefallen."

Weiter Lisch: "Im Laufe der Zeit hielt der Herzog Gustav Adolph auch noch ein Berber-Gestüt."

Man kann die "Deckungs- und Propagationslisten" des Herzogs Gustav Adolf, also das erste förmliche Gestütbuch, auf jeden Fall als ein Muster für das erst 1793 entstandene "General Stud Book" ansehen. Auch wenn keine zweifelsfreien Belege für eine Vorbildwirkung vorhanden sind. In diesem Zusammenhang muss an die politische Organisation in Europa erinnert werden, da 1714 durch Erbfolge der Fürsten das Gebiet von Hannover mit England vereinigt wurde. Nach Hannover aber exportierte vorrangig die wieder erstarkende mecklenburgische Landwirtschaft, insbesondere deren Pferdezüchter.

Hengst Frison mecklenburgischer Zucht aus Herzog Gustav Adolfs Gestütbuch.

Hengst Frison mecklenburgischer Zucht aus Herzog Gustav Adolfs Gestütbuch.

Herzog Gustav Adolfs vorrangige Bemühungen galten dem Erhalt der nach dem dreißigjährigen Krieg verbliebenen Stutenbestände und der Einfuhr geeigneter Hengste aus den damaligen Hochzuchtgebieten: Neapolitaner, Oldenburger, Ostfriesen, Dänen, Türken, Berber und schwere englische Hengste. Letztere haben vor allem den Charakter des mittelgroßen, kalibrigen, ausdauernden und zuverlässigen Mecklenburgers geprägt, der bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein als "die schönste Blüte der deutschen Pferdezucht" gelobt wird, bei dem "Fundament, Bau und Ausputz" gleich und so vorzüglich waren, "daß kein Pferd sich besser zur Fortpflanzung schicke." Dieses Pferd fand reißenden Absatz auf Messen und Pferdemärkten, insbesondere aber nach Hannover. In dieser Zeit gewann die Pferdezucht für landwirtschaftliche Zwecke an Bedeutung. Sie breitete sich in bäuerlichen Betrieben aus. Die Fürsten lösten einige ihrer Gestüte auf. Erst 1812 entstand das Landgestüt Redefin als Konzentrationspunkt. Das Staatsarchiv Schwerin dokumentiert hier eine "Zuchtstätte, die bald einen hervorragenden Ruf genoß und mit ihren züchterischen Leistungen weit über die Grenzen des Landes ausstrahlte." 1812 kamen die ersten vier Landbeschäler, 1820 die ersten englischen Vollblüter nach Redefin.

Mit Sicherheit darf man den Feststellungen Lischs folgen, dass die vielgerühmte mecklenburgische Pferderasse in der Regierungszeit des Herzog Johann Albrecht I. und durch die Maßnahmen des Herzogs Gustav Adolf von Mecklenburg-Güstrow wiederbelebt bzw. zur Vollendung geführt wurde. Das geschah an der Schwelle vom 17. zum 18. Jahrhundert, zur gleichen Zeit, da sich in England die Ansätze zur späteren Vollblutzucht entwickelten. In beiden Fällen spielten orientalische oder nordafrikanische Hengste eine Rolle; in England allerdings ausgeprägter als in Mecklenburg.

Die Großagrarier Mecklenburgs entwickelten in diesen friedlich geprägten Zeiten immer bessere Kenntnisse von der Pferdezucht, aber auch ausgefeiltere Geschäftsinteressen. Dazu trugen nicht zuletzt viele Reisen auf die britische Insel bei. Ohne untereinander davon etwas zu wissen, importierten die Großgrundbesitzer Hengste der neu entstandenen Vollblutrasse. Während der bayrische Armee-Ober-Pferdearzt Friedrich Sebald noch 1812 über "die ächten Mecklenburger" schwärmte, waren die feingliedrigen, optisch die Züchter begeisternden "Engländer" schon dabei, den alten Schlag zu verweichlichen. Auf den schwankenden Planken der Schiffe kamen die zunächst "National-Engländer" genannten Pferde ins Land, meistens Hengste. Ohne es zu wissen, tätigte dabei der Graf von Plessen auf Ivenack den spektakulärsten Einkauf.

Horst Gründel, inzwischen im Ruhestand, ist Journalist, Autor des Buches "175 Jahre Galopprennen in Bad Doberan" und langjähriger Rennsportfunktionär.


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