Mecklenburger Pferdegeschichte

Erschienen am 07.06.2011

Den Ursprüngen, über den Beginn einer gelenkten Zucht, bis zur Blütezeit des Mecklenburgers geht Horst Gründel in einer Beitragsserie nach (1)

Zeichnung aus dem Buch Seit Jahrtausenden begleiten Pferde den Lebensweg des Menschen. Sie waren (und sind) göttlich, aber auch Nahrungsmittel. Sie dienten als Waffe und retteten das Leben ihres Reiters. Sie arbeiteten auf dem Feld und selbst in der Grube. Sie zogen den Kampfwagen in der olympischen Arena wie die Kutsche durch den märkischen Sand. Auf ihrem Rücken trugen und tragen sie Kaiser, Feldherren, Fürstinnen, Bauern, Jockeis, Sportler und Kinder.

Marian Graf von Hutten-Czapski weist 1876 in seiner Geschichte des Pferdes nach, dass es das Tier in vorgeschichtlicher Zeit sowohl in China als auch in Ägypten und in Europa gab. Höhlenzeichnungen, aber auch die chinesische Schriftsprache von 2700 vor Christus sind dafür ebenso Belege wie archäologische Funde bis hin zu Pferdeschädeln, die gerade im Norden Deutschlands als Zeichen der Verehrung angebracht wurden. Herodot, der erste Geschichtsschreiber der Griechen, von dessen Namen noch später die Rede sein wird, sieht den Beginn der Pferdezucht bereits 3300 vor Christus. Selbst in der Bibel kann man nachlesen, dass das Pferd schon im 21. Jahrhundert vor Christus in Gebrauch war. Die Griechen schwärmten von ihrem geflügelten Pegasus, das den hohen Geistesflug versinnbildlichte und damit als symbolisches Tier der Dichter und Denker galt. Die frühen Germanen verehrten ihren sechsbeinigen Sleipnir, der nach dem Volksglauben mit Wodan wie ein Ungewitter dahinjagte.
Ein Pferd des Altertums wurde namentlich berühmt: Bucephalus. Der Kopf des schwarzen Hengstes mit einem weißen Stern auf der Stirn soll dem eines Stieres geglichen haben. Der Mazedonier Alexander der Große ritt Bucephalos in seinen Schlachten, bis der bereits tödlich verwundete Hengst bei Hydaspes (heute Lahore) seinen Herrn aus dem Getümmel trug und am königlichen Zelt verendete. Er erhielt ein Grabmal. In den meisten Schlachten jener Zeit spielten die Pferde eine Hauptrolle und sei es auch nur, um den Gegner zu täuschen, wie im Falle von Troja. Die weiten Heerzüge, man denke nur an den Sturm der Mongolen nach Europa, führten aber auch zur Vermischung der Rassen und zum Entstehen neuer Pferdetypen.
Das umfassendste hippologische Frühwerk stammt von Xenophon. In den zwölf Paragraphen seiner "Hippika" belehrt Xenophon "worauf man beim Kauf eines Pferdes zu achten, wie man es zu füttern, zu reinigen, wie zu behandeln, wie zu gebrauchen, wie an feierlichen Gang zu gewöhnen, für kriegerische Zwecke zu üben, und wie man endlich Roß und Reiter mit Ausrüstung zu versehen habe." Vom weitgereisten Herodot, dem griechischen "Vater der Geschichtsschreibung" besitzen wir auch Kenntnisse über Pferderassen in den asiatischen Ländern.
Beilage der In Nordeuropa besaßen die Pferde allerdings zunächst kaum eine edle Statur. "Klein und hässlich" soll man sie genannt haben. Deshalb ließ Cäsar für seine germanischen Hilfstruppen extra römische und burgundische Pferde heranschaffen. Züchterische Kreuzungen sollen dann zu sehr guten Gebrauchspferden geführt haben. Flavius Vopiscus spricht von zahlreichen Gestüten der Germanen. Die großen Weiten Mecklenburgs boten dazu ideale Voraussetzungen, wobei sich die Verehrung vor allem dem Schimmel zuwandte. An besonderen Plätzen im Wald wurden weiße Pferde gehalten, aus deren Verhalten und Wiehern die Priester die Zukunft zu deuten versuchten. Pferde waren in den weit auseinander liegenden Orten des heutigen Mecklenburgs, das bis ins 18. Jahrhundert hinein kaum über ein ähnlich ausgeprägtes Verkehrsnetz verfügte wie südlichere Landstriche, unentbehrlich für Transport und Nachrichtenübermittlung. Sie mussten die schwerste Arbeit bei der Kultivierung des Bodens leisten. Und schließlich spielten sie von den Rittern bis zur modernen Kavallerie eine Rolle im Militärwesen.
Den unterschiedlichen Erfordernissen versuchte sich die Zucht anzupassen. Damit beschäftigte sich F. Lisch in seiner "Geschichte der Pferdezucht in Mecklenburg-Schwerin" (1856):
"Mit dem christlichen Mittelalter, welches in Mecklenburg den kurzen Zeitraum von 1200 bis 1500 füllt, beginnt die künstliche Pferdezucht, welche vorzüglich durch das Ritterwesen und die Kreuzzüge, dann aber auch durch einen größeren Verkehr der gebildeten Völker untereinander ins Leben gerufen ward. Man führte ... größere Pferde zum Ritterdienste ein. Pferde von stärkerem Knochenbau, welche nicht allein den geharnischten Ritter, sondern auch selbst eine Rüstung tragen und die große Wucht eines starken Anfalles aushalten konnten. Man unterschied während des ganzen Mittelalters sehr streng zwischen Roß und Pferd. Das Roß war das aus der Fremde eingeführte schwere Streitroß, mit welchem der Ritter seinen Lehndienst tat. Das Pferd war dagegen das einheimische, kleine Pferd, welches zum Ziehen und gewöhnlichen Reiten gebraucht ward."
Interessant ist die Schlussfolgerung Lischs, dass "wahrscheinlich in Veranlassung der Kreuzzüge und der Römerzüge vom Kaiser auch Pferde von feinerer, edlerer Race eingeführt" worden seien, da man 1851 im Burggraben zu Berenshagen bei Bützow neben Gegenständen aus der Zeit um 1300 auch das Gerippe eines Pferdes fand, "dessen Schädel ohne Zweifel eine edle, wahrscheinlich arabische Race zeigt". Etwa in der gleichen Zeit tauchten auch in England die ersten arabischen oder berberischen Pferde auf.
Die mecklenburgischen Fürsten und die Klöster überließen die Pferdezucht nicht dem Selbstlauf. Für 1324 ist unter Heinrich dem Löwen von Mecklenburg in Dierhagen ein Gestüt nachgewiesen. Die Fürsten von Werle unterhielten in der Nähe von Güstrow ein Gestüt. Zitat von Lisch: "Auch die Hahn hatten zu Basedow schon im Mittelalter ein Gestüt." Als der Ritter Ludolf III. Hahn auf Basedow am 13. Juni 1479 von Reimar von Wuste die Güter Retzow und Woltmerstorf kaufte, schenkte er diesem "in den Kauf ein Stutfüllen, das er sich in dem Hahnschen Gestüt auszusuchen die Wahl hatte". Die von jenen Gestüten gezogenen großen und massigen Pferde verschwanden jedoch mit dem Niedergang des Ritterwesens. Jetzt war eine leichtere, ausdauernde Rasse gefragt, die man für die Jagd und zum Ziehen bequemer Wagen brauchte. "1539 konnte kein mecklenburgisches Streitroß mehr aufgetrieben werden." - So steht es auf einem Poster des Staatsarchivs Schwerin zum DDR-Bauernkongress 1987. (wird fortgesetzt)
 
Horst Gründel, inzwischen im Ruhestand, ist Journalist, Autor des Buches "175 Jahre Galopprennen in Bad Doberan" und langjähriger Rennsportfunktionär.

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