Einschläferung aus Kostengründen - tierärztliche Pflicht?
Erschienen am 10.05.2019
Wird ein Tierarzt mit einer voraussehbar aufwändigen Behandlung beauftragt, kann sich im Einzelfall die Frage stellen, ob nicht aus wirtschaftlichen Gründen eine Einschläferung des erkrankten Pferdes vorzuziehen ist.
Dies in Erwägung zu ziehen, entspricht tierärztlicher Sorgfaltspflicht. Es gibt aber auch Ausnahmen, wie ein aktuell entschiedener Prozess zeigt.
Der Sachverhalt
Frau H., Eigentümerin einer 21-jährigen Stute, hatte den Tierarzt A. damit beauftragt, einen vereiterten Zahn zu ziehen. Mit dem Ergebnis der Behandlung war H. nicht zufrieden. Sie beauftragte deswegen den Tierarzt B. mit der weiteren Behandlung. Der stellte als gravierendsten von mehreren weiteren Befunden eine Zahnfistel fest, die intensiver Behandlung bedurfte. Die unter Einbeziehung einer eventuell notwendigen Operation und des stationären Aufenthaltes voraussehbaren Kosten wurden auf etwa 6.500,00 EUR geschätzt.
Nachdem erfolgreich der Fistelkanal geschlossen werden konnte, wurde das Pferd aus der Klinik des B. entlassen. H. suchte dennoch den Tierarzt C. auf, der das Pferd erneut untersuchte, aber keinen aktuellen Behandlungsbedarf sah. Nach einer weiteren kurzen Inanspruchnahme des Tierarztes D. verbrachte H. das Pferd dann in eine Universitäts-Tierklinik, wo es vom Tierarzt E. weiterbehandelt und schließlich eingeschläfert wurde.
Im Prozess, in welchem es um restliche Honoraransprüche des Tierarztes B. ging, behauptete H. einen Behandlungsfehler. Der bestätigte sich nach Einholung von zwei Gutachten nicht. Außerdem machte sie geltend, der B. habe ihr zur Einschläferung raten müssen, weil der Behandlungsaufwand nicht im vertretbaren Verhältnis zum Wert des Pferdes stand. Den hatte eine Sachverständige mit 300,00 EUR bis 500,00 EUR angegeben.
Die Rechtslage
Die Vertretbarkeit einer Behandlung wird auch nach dem voraussichtlichen Kostenaufwand beurteilt. Der Tierarzt hat eine Relation herzustellen zwischen den voraussichtlichen Behandlungskosten einerseits und dem Wert des Pferdes und den Erfolgsaussichten der Therapie andererseits.
Die tierärztliche Sorgfalt kann es deswegen auch erfordern, dass der Tierarzt dem Pferdeeigentümer anzuraten hat, das Pferd einzuschläfern. Erreicht er den nicht, können wirtschaftliche Aspekte den Tierarzt sogar verpflichten, eine Weiterbehandlung einzustellen und das Pferd einzuschläfern.
Allerdings ist zu berücksichtigen, dass oftmals die emotionale Bindung des Besitzers an ein Pferd so weit geht, dass er einen relativ großen Betrag - notfalls sogar durch Inanspruchnahme eines Darlehens - aufwendet, um alle Behandlungsmöglichkeiten auszuschöpfen, selbst wenn die Erfolgsaussichten beispielsweise einer durchzuführenden Operation als gering eingeschätzt werden.
Im Prozess der H. hielt eine Gutachterin grundsätzlich die Behandlungsmaßnahmen in medizinisch-fachlicher Sicht für durchaus vertretbar im Hinblick auf die Erfolgsaussichten. Die Behandlung, die von B. durchgeführt wurde, hatte im Ergebnis ja auch Erfolg, weil die Fistel beseitigt werden konnte. Das Gericht ließ den Einwand der fehlenden Wirtschaftlichkeit nicht gelten. Allein die Tatsache, dass nach der bei Auftragserteilung vorgenommenen Schätzung 6.500,00 EUR hätten aufgewendet werden sollen, die akzeptiert wurden bei einem bereits 21-jährigen Pferd mit einem Wert von ca. 400,00 EUR, sah das Gericht als Beweis dafür an, dass wirtschaftliche Aspekte keine Rolle spielten, sondern ein Affektionsinteresse. Anders lasse sich - so das mit der Sache befasste OLG - auch der Umstand nicht erklären, dass H. trotz damals schon vorhandener Unzufriedenheit über das Resultat der Behandlung durch A. noch mehrere weitere Tierärzte, nämlich B., C., D. und schließlich die Universitätstierklinik in Anspruch nahm. Daraus leitete das Gericht ab, dass es der Klägerin auf Kosten schlechterdings nicht angekommen war.
Das OLG sah deswegen auch keine Pflichtverletzung des Tierarztes darin, dass der nicht ausdrücklich zur Einschläferung geraten hatte.
Fazit
In der Veterinärmedizin spielen wirtschaftliche Gesichtspunkte eine entscheidende Rolle. Die Höhe der Behandlungskosten ist aber dann nicht relevant, wenn der Auftraggeber zu erkennen gibt, alles investieren zu wollen, um seinem Pferd zu helfen oder es zu retten.
Dr. Plewa/Dr. Schliecker Rechtsanwälte/Fachanwälte