Rechtsbeitrag: Pferd oder PKW — Was ist gefährlicher?

Erschienen am 15.11.2017

Von einem Kraftfahrzeug geht die Betriebsgefahr, vom Pferd die Tiergefahr aus. Sind an einem Schadensereignis sowohl ein PKW als auch Pferd und Reiter beteiligt, hat eine Abwägung des Gefahrenpotentials zu erfolgen.

Ein Beispielsfall

Die Klägerin eines vom Oberlandesgericht (OLG) Celle entschiedenen Rechtsstreites verklagte einen PKW-Fahrer. Sie behauptete, dass der mit überhöhter Geschwindigkeit an ihr und dem von ihr geführten Pferd vorbeigefahren sei. Dadurch habe ihr Pferd gescheut. Das Pferd hatte dann ausgeschlagen und der Klägerin schwere Verletzungen zugefügt. Der beklagte PKW-Fahrer bestritt, dass sein Fahrzeug für das Verhalten des Pferdes in irgendeiner Weise ursächlich geworden sei.

Die in zwei Instanzen durchgeführte Beweisaufnahme hatte keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, dass den PKW-Fahrer ein Verschulden traf.

Die Betriebsgefahr

Wäre ein Verschulden des PKW-Fahrers festgestellt worden, hätte sich die Haftungsfrage aus rechtlicher Sicht als unproblematisch dargestellt. Hätte er beispielsweise bei überhöhter Geschwindigkeit keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten und dadurch das Scheuen des Pferdes und nachfolgende Ausschlagen verursacht, wäre wohl von einer alleinigen Haftung des PKW-Fahrers auszugehen gewesen.

Auch wenn kein Verschulden festgestellt werden kann, wie das in dem vom OLG zu beurteilenden Sachverhalt der Fall war, kann eine Haftung des PKW-Fahrers in Betracht kommen. Die bloße Anwesenheit des Fahrzeuges des Beklagten am Unfallort begründet noch keine Haftung. Es muss vielmehr ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Betrieb des Fahrzeuges und dem Schaden bestehen.

Die Haftung knüpft dann an die von einem Kraftfahrzeug ausgehende Betriebsgefahr an. Die ist in § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG) geregelt. Diese Haftung tritt erst dann ein, wenn der Schaden dem Betrieb des Kraftfahrzeuges zugerechnet werden kann.

Die Tiergefahr

Reagiert das Pferd auf den nahenden PKW durch Scheuen, wirkt sich dadurch die vom Pferd ausgehende Tiergefahr aus. Für die hat jeder Tierhalter nach § 833 BGB einzustehen.

Treffen Betriebsgefahr und Tiergefahr aufeinander, ist der jeweilige Verursachungsanteil nach den Umständen des Einzelfalles festzustellen und gegeneinander abzuwägen. Das OLG meinte, dass beide Verursachungsbeiträge etwa gleich schwer wiegen würden. Kraftfahrzeuge seien typischerweise geeignet, geräuschempfindliche Tiere wie Pferde, die zudem besonders auf Bewegungen in ihrem Umfeld reagierten, zu erschrecken. Dies gelte vor allem dann, wenn ein PKW auf ein geführtes Pferd zukomme. Andererseits seien auch Pferde, die an Straßenverkehr gewöhnt seien, nicht davor gefeit, ausnahmsweise schreckhaft auf Motoren- und Fahrgeräusche zu reagieren.

Im Ergebnis hatten weder der PKW-Fahrer noch die Klägerin als Tierhalterin den Unfall verschuldet. Der PKW-Fahrer haftete allein auf Grund der Betriebsgefahr seines Fahrzeuges zu 50 %, während sich die Klägerin die von ihrem Pferd ausgehende Tiergefahr mit der gleichen Quote anrechnen lassen musste. Sie bekam daher nur 50 % des geltend gemachten Schadens ersetzt.

Wichtige Grundsätze

Die reine Betriebsgefahr, die von einem PKW ausgeht, muss zumindest ursächlich geworden sein, um eine Schadensersatzverpflichtung zu begründen.

Ist ein Unfall auf mangelnde Verkehrssicherheit des gerittenen oder geführten Pferdes zurückzuführen, liegt ein Verschulden des Pferdehalters vor. Das kann zum völligen Wegfall einer Schadensersatzpflicht des PKW-Halters führen. Andererseits: Ist ein Verkehrsverstoß des PKW-Fahrers festzustellen, kann dies ungeachtet der vom Pferd ausgehenden Tiergefahr zu einer vollständigen Haftung führen.

Dr. Plewa/Dr. Schliecker Rechtsanwälte

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