Nachbarrecht: Reitbetrieb als Störfaktor

Erschienen am 27.06.2017

Wenn Wohnhäuser und ein Reitbetrieb in unmittelbarer Nachbarschaft liegen, kommt es nicht selten zu erbitterten Auseinandersetzungen. Deren Gegenstand sind meistens behauptete Beeinträchtigungen, die die Wohnqualität beeinträchtigen. Die Problematik soll in diesem Beitrag anhand eines konkreten Falles erläutert werden.

Die Ausgangslage

Die Kläger eines Nachbarrechtsstreits waren Eigentümer eines Einfamilienhauses, das einige Meter höher, aber in unmittelbarer Nachbar­schaft eines Grundstückes lag, auf welchem die Beklagte einen Reitbetrieb unterhielt. Auf deren Gelände befand sich ein Wohn---und Stallgebäude nebst Reitplatz und Koppeln. Im Bebauungsplan der Gemeinde lagen die Nachbargrundstücke in einem Mischgebiet, für den Reitplatz und dessen Nutzung bestand eine Baugenehmigung.

Die Kläger machten geltend, dass von der als Reit- und Longierplatz genutzten Fläche unzumutbare Beeinträchtigungen für ihr Grundstück, insbesondere durch Staubentwicklung, ausgehen würden. Eine Nutzung der Terrasse sei nicht möglich, selbst ein Öffnen der Fenster in Richtung zu dem Nachbargrundstücks nur teilweise, weil ansonsten die Wohnung durch aufgewirbelten Staub verdreckt werde. Außerdem gehe von dem Reitbetrieb auch durch die Anweisungen der Reitlehrer Lärm aus, was besonders deswegen nicht hinnehmbar sei, weil Reit­unterricht auch an den Wochenenden und in der Mittagszeit erteilt werde.

Die Kläger verfolgten mit ihrer Klage ein Verbot, das Nachbargrundstück als Reit- und Longierplatz zu nutzen.
Alle Versuche, eine gütliche Einigung herbeizuführen, scheiterten.

Die Rechtslage

Die Rechtsbeziehungen zwischen den Nachbarn regeln § 1004 und 906 BGB. Nach § 1004 kann der Eigentümer, dessen Grundstück durch Emissionen beeinträchtigt wird, von dem Störer die Beseitigung verlangen. Das gilt allerdings dann nicht, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. Wann das der Fall ist, regelt § 906 BGB. Der Eigentümer eines Grundstücks kann Einwirkungen durch Lärm, Staub oder Geruch dann nicht verbieten, wenn die Benutzung seines Grundstücks "nicht oder nur unwesentlich beeinträchtig" wird.

Grundsätzlich also fällt aufgewirbelter Staub durchaus unter die genannte Bestimmung.

Der Kläger muss zunächst nur beweisen, dass die Nutzung seines Grundstücks durch die Staub- oder Lärmentwicklung beeinträchtigt wird. Dann hat er einen Unterlassungsanspruch, der darauf gerichtet Ist, diese unzumutbare Einwirkung auszuschließen. Der allerdings entfällt dann, wenn der beklagte Nachbar beweist, dass die Beeinträchtigung nur unwesentlich ist.

Der Rechtsstreit

Die Gerichte können regelmäßig die Frage der Beeinträchtigung an sich schon nicht beurteilen, erst recht nicht die, ob sich eine Beeinträchtigung als erheblich erweist. Deswegen hat auch das mit dem geschilderten Fall befasste Amtsgericht (AG) einen Sachverständigen beauftragt. Der hat dann in einem schriftlichen Gutachten umfangreiche Berechnungen angestellt, dabei die Angaben der streitenden Parteien zum Umfang des Reitbetriebes zugrunde gelegt. Letztlich ist er zu dem Ergebnis gekommen, dass die vom Reitbetrieb ausgehenden Emissionen als nicht erheblich anzusehen sind.

Maßstab für die Frage der wesentlichen Beeinträchtigungen der Grundstücksbenutzung ist das "Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers des betroffenen Grundstücks in seiner durch Natur, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit und nicht das subjektive Empfinden des Gestörten. Für ein Wohn­grundstück ist maßgebend, ob das Wohnen an Annehmlichkeit verliert und der Grundstückswert dadurch gemindert wird", so die Definition in einem Standardwerk der juristischen Literatur.

Der Maßstab wird nach § 906 BGB dahingehend konkretisiert, dass die in Gesetzen oder Rechtsverordnungen festgelegten Grenz- oder Richtwerte nicht überschritten werden dürfen. Zu diesen Vorschriften zählen auch die nach dem Bundesemissionsschutzgesetz erlassenen Verwaltungsvorschriften, in denen für Lärm-, Staub- und Schmut­zemissionen bestimmte Richtwerte festgelegt sind.

Der vom AG beauftragte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass der Jahresmittelwert der Feinstaubbelastung am Anwesen der Kläger deutlich unter dem Grenzwert der TA Luft lag. Selbst unter Zugrundelegung ungünstiger Bedingungen - etwa heiße, trockene Sommertage - waren nach seinen Berechnungen die Staubrichtwerte der TA-Luft sicher eingehalten. Die Kläger hatten dagegen eingewandt, dass die TA Luft für die Ermittlung von Emissionen entwickelt worden sei, die von Industriebetrieben ausgehe. Dem folgte das AG nicht. Die Vorschrift sei auch auf einen Reitbetrieb anwendbar. Schließlich handele es sich bei der TA Luft um eine Verwaltungsvorschrift, auf die § 906 BGB ausdrücklich verweise. Die TA Luft wird allgemein von der Rechtsprechung gerade für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung als entscheidender Maßstab zu Grunde gelegt.

Die Ansicht des AG hat dann in der Berufungsinstanz das Landgericht Kaiserslautern (LG) bestätigt. Der Einwand der Kläger, der Sachverständige habe nur Jahresdurchschnittswerte ermittelt, erwies sich als nicht durchschlagend. Vielmehr hatte der Gutachter für die Feststellung der Wesentlichkeit der Staubbelastung auch Tageshöchstwerte errechnet, ohne eine Überschreitung der zulässigen Werte gemäß der TA Luft feststellen zu können.

Ergebnis

Die Klage wurde abgewiesen. Im Ergebnis stand damit letztlich rechtskräftig fest, dass die Beklagte berechtigt war, ohne weitere Vorkehrungen und Einschränkungen ihren Reitbetrieb weiter zu führen.

Bemerkenswert ist an dem Fall weniger die gerichtliche Entscheidung als der Umstand, dass die Kosten für das sehr zeitaufwändige Gutachten letztlich eine Größenordnung von rund € 20.000,00 erreichten. Die wurden dann ebenso wie Anwalts- und Gerichtskosten den Klägern auferlegt.

Dr. Plewa/Dr. Schliecker Rechtsanwälte/Fachanwälte

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