Ist PSSM beim Westernreitpferd ein Mangel?

Erschienen am 22.03.2017

Bei einem prozentual relativ geringen Anteil von American Quarterhorses wurde nach wissenschaftlichen Studien ein Gendefekt (PSSM) nachgewiesen. Dieser Beitrag widmet sich der Frage, ob beim Erwerb eines Reitpferdes ein solcher Befund als Mangel anzusehen ist.

Der Fall

Der Käufer eines Pferdes, der Kläger des späteren Rechtsstreites, und der Verkäufer, später Beklagter, hatten den von der FN herausgegebenen Formularvertrag verwendet. Darin war vereinbart, dass die gesundheitliche Beschaffenheit bestimmt werden soll durch das Ergebnis der vom Käufer in Auftrag zu gebenden Kaufuntersuchung.

Weiterhin wurde vereinbart, dass das Pferd, wie es auch angeboten und ausprobiert war, als Reitpferd geeignet sein sollte.

Einige Zeit nach Übergabe stellte sich bei dem Pferd Rittigkeitsprobleme ein. Die daraufhin durchgeführten Untersuchungen ergaben einen Gendefekt.

Der Befund

Festgestellt wurde bei dem Pferd eine Polysaccharid-Speicher-Myopathie, Typ 1, abgekürzt PSSM. Es handelt sich um einen Gendefekt, der mittels Gentest nachgewiesen werden kann. Im Gen jenes Proteins, das in Muskelzellen für den Glykogenaufbau verantwortlich ist, findet bei PSSM Typ 1 eine Punktmutation statt. Diese führt zu einem Protein das vermehrt fehlerhaft zusammengesetztes Polysaccharid produziert. Das wiederum kann nicht wie Glykogen abgebaut werden, sammelt sich im Laufe der Zeit in Muskelzellen an und kann danach zu Muskelschäden führen. Bei American Quarterhorses tritt nach Angaben des in einem aktuell entschiedenen Rechtsstreit beauftragten Sachverständigen der Gendefekt mit einer geschätzten Frequenz von 5,5 % in der klinisch unauffälligen Population, bei etwa 11,3 % der für den Leistungssport genutzten Tiere auf. Die genetisch bedingte Veränderung prädisponiert zu immer wieder auftretenden Muskelschäden, allerdings werden nicht alle Pferde mit dem Gendefekt klinisch auffällig.

Die Bedeutung als Mangel

Das in erster Instanz mit der Sache befasste Landgericht hatte sich den Gendefekt durch einen Sachverständigen erläutern lassen. Es kam danach zu dem Ergebnis, dass ein Mangel nicht vorliege, weil die Verwendbarkeit als Reitpferd dadurch nicht beeinträchtigt sei. Der Sachverständige hatte ausgeführt, dass die vom Kläger beschriebenen Rittigkeitsprobleme nicht auf den Gendefekt zurückzuführen seien. Das Gericht vertrat deswegen die Auffassung, dass das Pferd generell für den vereinbarten Verwendungszweck geeignet sei. Der Käufer eines Tieres hafte nur dafür, dass das Pferd bei Gefahrübergang nicht krank sei und sich auch nicht in einem Zustand befinde, auf Grund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest hohe Wahrscheinlichkeit bestehe, dass es alsbald erkranken werde. Insoweit befand sich das Landgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH. Der Verkäufer hafte grundsätzlich nur auf Mängelfreizeit im Zeitpunkt des Gefahrüberganges und übernehme keine Garantie für den Fortbestand der Gesundheit. Der Gendefekt sei zwar eine Abweichung von der Norm, beeinträchtige aber die Verwendbarkeit als Reitpferd nicht, zumal ein Zusammenhang mit den Rittigkeitsproblemen nicht nachweisbar sei.

Im Berufungsverfahren wurde das Urteil des Landgerichts bestätigt. Das OLG hob hervor, dass selbst nach der Darstellung des Klägers das verkaufte Pferd zum Zeitpunkt der Übergabe die Eignung als Reitpferd aufgewiesen habe. Dies entspreche der im Formularvertrag vorgesehen Regelung, wonach die reiterliche Beschaffenheit dem Zustand zu entsprechen habe, der sich nach Besichtigung des Pferdes und einem entsprechenden Proberitt durch den Käufer darstelle. Zwar könne eine Abweichung von der vertraglich vorausgesetzten Beschaffenheit auch noch dann vorliegen, wenn sich der Mangel erst später zeige, die Ursache für den Mangel bei Gefahrübergang bereits vorgelegen habe. Aber auch diese Voraussetzung sei nicht gegeben. Schließlich sei die Erkrankung selbst rund zwei Jahre nach dem Vertragsabschluss zu keinem Zeitpunkt ausgebrochen. Die bloße Möglichkeit, dass sich irgendwann in der Zukunft die PSSM-Erkrankung manifestiere und dadurch möglicherweise die Reiteigenschaft der Stute gemindert werde oder gänzlich verloren gehe, genüge nicht, um einen Mangel des Pferdes bei Gefahrübergang annehmen zu können.

Fazit

Nicht jede Abweichung vom Idealzustand, insbesondere nicht die Anlage zur Entwicklung einer Krankheit, ist als Mangel bei einem Pferd anzusehen. Es kommt aber sehr auf die Umstände des Einzelfalles an. So dürfte die Entscheidung im Ergebnis anders ausgefallen sein, wenn das Pferd für Zuchtzwecke erworben worden wäre. Zudem ist die Frage, ob ein Mangel im Rechtssinne vorliegt, stets zu beantworten auf der Grundlage der individuellen Vertragsbedingungen.

Dr. Plewa/Dr. Schlecker

Rechtsanwälte/Fachanwälte

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